Mit „Gym“ schreibt Verena Keßler der Generation Selbstoptimierung mit viel Komik so lange aus der Seele, bis es zu einem krachenden Ende kommt.
„Natürlich war es nicht immer leicht, Job und erfundene Mutterschaft unter einen Hut zu bekommen.“
Der Zwang nach ständiger Optimierung des eigenen Daseins ist überall präsent. So auch im MEGA GYM, wo sich neben Senior*innen und Bodybuilder*innen auch die namenlose Protagonistin einfindet. Aus der dringenden Suche nach einem Job, beginnt sie dort als Tresenkraft zu arbeiten. Dabei entschuldigt sie ihren untrainierten Körper mit der Notlüge, gerade frisch entbunden zu haben. Inhaber Ferhat gibt sich als Feminist zu erkennen und erlaubt ihr sogar das Abpumpen in seinem Büro. Als die Bodybuilderin Vick im MEGA GYM zu trainieren beginnt, verändert sich die Protagonistin angetrieben von exzessivem Ehrgeiz nicht nur körperlich.

„ARE YOU READY, BITCHES?“
Verena Keßler trifft mit diesem Roman völlig ins Schwarze. In rasantem Tempo, mit enorm viel Witz und Situationskomik beschreibt sie die Fitness-Social-Media-Blase haargenau. Von ewigen Vergleichen, wer die krasseren Muskeln hat über verurteilende Mütter-Foren online. Genauso wie die nie aufhörende Gewissheit, noch nicht gut genug zu sein. Hier lässt sich alles finden. Dabei bleibt Keßler in lässigem Stil und schweift nie zu sehr aus. Die Figuren bleiben nah an der Oberfläche, sind also klar abgegrenzt und lassen wenig Platz für eigenes Vorstellungsvermögen. Die Protagonistin selbst, ganz der Hustle-Culture verfallen, zeigt nur wenige direkt sympathische Züge und bleibt die Geschichte über recht kühl. Gegen Ende verfällt sie dann dem Optimierungs-Wahnsinn. Nur ihre recht spät erzählte Vergangenheit gibt Aufschluss darüber, wieso sie letztlich so handelt, wie sie es tut.
„Ich musterte sie. Ihre Milchbrötchenhaftigkeit. Wie gewöhnlich man sein konnte. Ja, offensichtlich bist du hier falsch, hier und überall sonst, guck dich doch mal an.“
Ende gut alles gut?
Auch wenn der Roman locker leicht zu lesen ist und gute Unterhaltung bietet, so ist er dennoch keine leichte Kost. Der geschilderte Optimierungswahn treibt Leser*innen immer wieder dazu die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen. Die gegen Ende detailliert beschriebenen körperlichen und ernährungstechnischen Gebrechen treiben das Ganze dann noch auf die Spitze. Und auch der Spiegel, der der Gesellschaft hier gnadenlos vorgehalten wird, ist nicht leicht zu verdauen. Dieses immer höher-weiter-schneller Prinzip ist zweifelsohne eine Kopie der Realität. Gerade deswegen ist dieser Roman auch so gut. Er zeigt ungeschönt und klug den Zeitgeist auf und schlägt mit voller Wucht ins Bewusstsein ein. Neben der absurd komischen Grundhandlung stellt Keßler damit allerdings auch eine wichtige Frage:
Wo wollen wir eigentlich alle noch hin? Eine klare Leseempfehlung für die Fitness-Bubble, Gen Z und alle, die leichte, lustige und gute Literatur suchen.
Verena Keßler, „Gym“. € 23,- / 192 Seiten. Hanser, Berlin 2025.