Humor als Trost in Krisenzeiten: Das Simpl-Ensemble rührt einen „Zaubertrank in 20 Portionen“ an.
„Und wenn sie nicht gestorben sind . . .“ – Ja, was? Dann leben sie noch heute. Okay. Aber wie leben sie? Was passiert nach dem Happy End wirklich? Wie gehen die Märchen weiter? Diese Frage stellten sich Jenny Frankl und Michael Niavarani, als sie die neue Simpl-Revue konzipierten. Und sie haben Antworten gefunden. Manche lagen auf der Hand, nach anderen mussten sie wohl länger graben.
Kabarett statt Happy End
Der Titel „Märchen ohne Ende“ ist jedenfalls doppeldeutig. Denn einerseits bedeutet er jede Menge Märchen. Und andererseits kann man herauslesen, dass diese Märchen eben nie zu Ende sind. Weil das Leben weitergeht, wenn der Prinz den Frosch geküsst hat, die Großmutter den Wolf gefressen hat und das Spieglein an der Wand sich am Apfel verschluckt hat. Oder ist da jetzt was durcheinander gekommen? Ein alter Spruch von Niavarani lautet: „Das Kabarett Simpl – der Bulli aus der Wollzeile – stellt die Welt auf den Kopf, und wir schütteln so lange, bis die Witze herauskommen.“ Das tut er im Grunde jetzt auch. Nur dass der Hausherr feststellt:
„Die Welt steht schon auf dem Kopf. Mittlerweile ist es so: Wir versuchen die Welt, die auf dem Kopf steht, mit unseren Witzen wieder aufzurichten.“
Denn: „Wahrscheinlich ist Humor das Einzige, was uns in dieser von Krisen gezeichneten Zeit, in der wir leben, noch an Erfreulichem bleibt“, schreiben Niavarani und Frankl im Beipacktext (= Programmheft) zu diesem „Zaubertrank in 20 Portionen“, wie der Untertitel der Simpl-Revue lautet.

Von Alm bis Supermarkt
Und so erzählen Simpl-Moderator*innen Joachim Brandl, Katharina Dorian, Bernhard Murg, Jenny Frankl, Matthias Mamedof, Ariana Schirasi-Fard und Julian Loidl Märchen von freundlichen Wienern, von Frieden durch Aufrüstung und von Donald Trumps Intelligenz. Sie lassen den Wolf die Geschichte mit Rotkäppchen und der Großmutter aus seiner Sicht schildern. Sie begeben sich auf eine märchenhafte Alm, in eine nicht sehr märchenhafte Schlacht um einen Supermarkt und ins noch weniger märchenhafte Floridsdorf.
Schon die erste Nummer voller Märchenfiguren sorgt für brüllende Lacher im Publikum. Es folgt ein wahres Pointenfeuerwerk mit zahlreichen Kostümwechseln (das Kreativteam hat sich wieder einmal selbst übertroffen). Doch es gibt nicht nur Klamauk, sondern auch ernste Themen wie Krieg, Corona und Klimawandel. Schließlich stellen Frankl und Niavarani fest: „Wir machen nur dann einen Witz, wenn wir es ernst meinen.“
Einmal mehr zeigt sich, warum das Kabarett Simpl heuer beim Österreichischen Kabarettpreis mit dem Sonderpreis ausgezeichnet wird. Denn das Ensemble tut, was es immer tut in der Simpl-Revue: Es zieht Eliten durch den Kakao, hebt Alltagssituationen in absurd komische Höhen und gibt den sogenannten “kleinen Leuten” das Gefühl, dass die Großen und Mächtigen dieser Welt in Wahrheit gar nicht so groß und mächtig sind. Und dass man sich von ihnen keine Märchen erzählen zu lassen braucht.