Komödie mit Banküberfall – Volkstheater ** Alles Gauner in dieser Stadt!

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Einfach nur wild. 

Karten auf den Tisch: So fremd und fehl am Platz, wie sich andere in der Oper fühlen, fühle ich mich im Sprechtheater. Normalerweise. Denn der Abend im Volkstheater Wien bei Komödie mit Banküberfall hat mich eines Besseren belehrt und mir Lust gemacht auf mehr. Es ist kein klassisches Theater, wie man es sich vorstellt. 

Vielmehr sind es 2 Stunden 30 Minuten reines Gelächter, mit einem tollen Bühnenbild, spannender Handlung und einer unfassbaren schauspielerischen Leistung aller Beteiligten. Ein großer Pluspunkt außerdem: Der Altersschnitt ist top – man ist umgeben von allen Altersklassen und Outfits. So schnell fühlt man sich hier nicht out of place, vor allem nicht, wenn man gemeinsam nur noch weinen kann vor Lachen. 

Worum geht’s? 
Der Kriminelle Mitchell Ruscitti bricht aus dem Gefängnis aus – gemeinsam mit einem Gefängniswärter. Der Plan: Einen riesigen Diamanten aus der Minneapolis City Bank stehlen. Doch Warren, der ewige Praktikant mit über 60 Jahren, der Hausmeister Sam Monaghan, dessen Mutter und Kassiererin der Bank Ruth, sowie der Filialleiter Klaus Breimann und dessen Tochter Caprice Breimann stehen ihm im Weg. Und das alles in einer Stadt, in der sowieso alle kriminell sind. Am Ende finden Sam und Caprice zusammen, es gibt einige Tote (unter anderem Herrn Breimann), der Polizist Randall Shuck ist angekettet und der Diamant gestohlen – aber nicht von dem, der ihn eigentlich wollte. 

Das Spiel mit der “Rule of Three”

Im Slapstick bzw. der “Physical Comedy” gibt es eine Regel: Die “Rule of Three”. Im Prinzip sagt sie nichts anderes aus, als dass ein Witz maximal drei Mal funktioniert und beim oder nach dem dritten Mal abgeändert werden sollte. Kurz gesagt: Drei mal ist es lustig, dann ist’s too much. Bei Komödie mit Banküberfall wird genau dieses Konzept auf die Höhe getrieben. Speziell die Namensverwechslungen gehen sehr oft hin und her. Jedes dritte Mal wird es unterbrochen, nur um dann noch einen drauf zu legen. 

Genial sind vor allem die Szenen, in denen Offizier Jacques von seinen Vorgesetzten angerufen wird. Er wird am Telefon immer weiter verbunden, bis er beim Höchstrangigen landet. Beim zweiten Mal merkt man erst: Oh, da werden Hut und Schnauzer mit jedem Mal größer! Bis beim obersten Militärs-Kommandanten gar keine Person mehr zu sehen ist, sondern nur noch ein überdimensionierter Schnauzer mit großen Augen, der ins Telefon schreit. (Ich habe so laut lachen müssen, dass ich mich bei meinen Sitznachbarn entschuldigt habe. Das heißt was.)

Achtung, Verwechslungsgefahr! Drei Breimanns sorgen für Verwirrung.(c) Marcella Ruiz Cruz

Low Effort (?), Family Guy und Monty Python.

Der britische Humor, der vor allem auf Missverständnissen und Wortspielen basiert, findet hier im Volkstheater definitiv eine neue Heimat. Die Stimmen der Darsteller*innen sind nur in manchen Szenen mit Mikrofonen verstärkt, alle Charaktere führen ihre Dialoge fast die ganze Zeit schreiend aus. Und genau darin liegt die Komik. Es wäre wahrscheinlich nur halb so lustig, wenn sie nicht die ganze Zeit schreien würden. 

Die schnellen Dialoge erinnern außerdem ein bisschen an die Serie “Family Guy”. Absurde Jokes, viel Schlagfertigkeit und man kommt mit dem Lachen und Staunen nicht hinterher. Noch besser passt natürlich, vor allem für alle, die es kennen, die Referenz zu Monty Python.

9 Darsteller*Innen, 2 Studierende, 1 Musiker, 50 wechselnde Rollen, 5 “Hits zum Mitsingen”, 1 radikaler Perspektivenwechsel, 2 spektakuläre Verfolgungsjagden, 5 Liebhaber, unzählige Blumensträuße, 5 falsche Identitäten und ziemlich viele fremde Portemonnaies: “Alles nur Gauner in dieser Stadt!” – Das Volkstheater Wien über “Komödie mit Banküberfall”.

Zweieinhalb Stunden lang wird nur gelacht. Die Pause kommt tatsächlich genau zum richtigen Zeitpunkt, damit man seine Lachmuskeln mal entspannen und kurz die Handlung reflektieren kann. Denn es passiert allein in den ersten 70 Minuten so viel (und gleichzeitig so wenig), dass man das kurz sacken lassen muss. Einfach, weil es durchgehend lustig ist. Mein Fazit in der Pause war jedenfalls: Es ist so dumm, dass es einfach nur lustig ist. 

Der Banküberfall braucht vollen Körpereinsatz (c) Marcella Ruiz Cruz

Spoiler-Alert: Chaos, Tiefgang und so lustig wie sonst wenig. 

In der zweiten Hälfte geht es mit genauso vielen Lachern weiter wie in der Ersten. Aber plötzlich wird es ernst. Der Banküberfall artet in Chaos aus, fast alle Charaktere, die man vorhin noch so lieb gewonnen hat, sterben (oder werden ermordet). Selbst das Happy End bleibt aus. Denn Sam und Caprics können zwar über die Grenze flüchten, aber Jacques wird am Ende doch noch ausgetrickst. 

Die aneinander gereihten Dramen – von einem Tod im Lüftungsschacht, einem Schusswechsel, einer wilden Verfolgungsjagd bis hin zum gebrochenen Herzen von Jacques – haben mich ehrlicherweise überrascht. Nachdem in der ersten Hälfte alles so locker flockig dahin geht, rechnet man einfach nicht damit, dass es plötzlich “deep” wird. Und doch: Von Armut, toxischen Hierarchien, Tabu-Themen (Stichwort: Sexualtherapie) und falschen Freundschaften ist hier alles dabei. Aber eigentlich wurden wir alle vorgewarnt, denn:

“Es sind alles nur Gauner in dieser Stadt!” 

Perspektivenwechsel – plötzlich ist die Bühne Vertikal (c) Marcella Ruiz Cruz

EIn geniales Bühnenbild, inklusive plötzlicher Vogelansicht.

Alle Szenen fordern die Fantasie heraus, ohne dass man aktiv darüber nachdenken müsste. Das Bühnenbild wechselt mit einer Leichtigkeit, die man aus dem Theater eigentlich nicht gewöhnt ist. Da werden Wände verschoben, eine Kommode mit Rollen ist in der einen Szene das Fluchtauto, in der nächsten der Schreibtisch. Die Bühne verändert sich die ganze Zeit und man weiß gar nicht, wo man überall hinschauen soll – denn jeder verfügbare Millimeter wird genutzt. 

Die Bühne trägt besonders zur Komik bei. Sei es durch Versteckmöglichkeiten, Schränke gefüllt mit Blumen, einem Bankbeamten oder anderen kuriosen Dingen bis hin zu einer plötzlichen Vogelansicht aus dem Lüftungsschacht. Von einem “Perspektivenwechsel” bis hin zu Möwen, die plötzlich und aus dem Nichts erscheinen (und Opfer des Stücks werden): Man kann sich nie sicher sein, was noch auf einen zukommt. 

Eine absolute Empfehlung für alle, die Theater mal ausprobieren wollen. 

Die gesamte Produktion hinterließ bei mir nur noch Staunen. Die 2 Stunden und 30 Minuten sind vorbei, bevor man das Gefühl bekommt, auf die Uhr schauen zu wollen. Einzelne Darsteller*Innen hervorzuheben kommt mir fast unnötig vor, denn durch die Bank (ha ha, Wortwitz) wurde hier eine großartige Leistung erbracht. Gratulation – und möge dieses Stück in den regulären Spielplan finden! 

Eine Komödie von Henry Lewis, Jonathan Sayer & Henry Shields (“Mischief Theatre Company”), ins Deutsche übersetzt von Maria Harpner und Anatol Preissler. Eine österreichische Erstaufführung. / Anette Hachmann & Madeleine Mebs (Bühne & Kostüm), Thomas Esser (Musik)

mit Maximilian Pulst (Sam), Nicolas Frederick Djuren (Mitchell), Paula Nocker (Caprice), Tjark Bernau (Klaus Breimann), Bernardo Arias Porras (Warren), Claudia Sabitzer (Ruth), Stefan Suske (Randall Shuck), Andrej Agranovski (Cooper), Günther Wiederschwinger (fast alle Anderen), und außerdem Meyron Karner, Esther Beckstein, Alessio Romanelli, Elias Austaller

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