Fällt das Wort Ballett, haben die meisten von uns wohl als erstes Bilder von Spitzenschuhen, rosafarbenen Tutus und anmutigen Bewegungen im Kopf. Das Stadttheater Klagenfurt zeigt mit Boléro eine andere Seite des Tanzes. Dieser Abend setzt sich mit Verführung, Verrat, Krieg und Frieden auseinander.
Als ich vor ein paar Monaten von Wien nach Kärnten gezogen bin, habe ich mich schon darauf eingestellt, einen ziemlichen Kultur-Entzug durchstehen zu müssen. Doch das Stadttheater Klagenfurt ist Retter in der Not: Sein breites Angebot deckt von Theater über klassische Musik bis hin zu Musical und Tanz alle Sparten ab.
Das erste Mal – Ballett in Kärnten!
Diesmal steht ein Ballettabend am Programm. Das slowenische Staatsballett Ljubljana ist zu Gast und zeigt mit Maurice Ravels Boléro und Igor Stravinskys Le Sacre du printemps zwei Orchesterwerke des modernen Balletts. Dem gegenüber stehen Frédéric Chopins Nocturnes, die für Klavier komponiert wurden.
Choreographiert wurde der Abend von Edward Clug und Renato Zanella, für die musikalische Darbietung zeigt sich das Kärntner Sinfonieorchester unter der Leitung von Mitsugu Hoshino und Chin-Chao Lin verantwortlich.
Knister*Tipp: Für Kinder und Jugendliche unter 27 gibt es für alle Eigenveranstaltungen auf der großen Bühne freien Eintritt – egal ob Schüler*in, Student*in, Lehrling oder Berufstätige. Die Aktion gilt für Karten ab der Kategorie V. In allen weiteren Kategorien gibt es eine Ermäßigung von 50%. Mehr Infos gibt’s hier.
Schon beim Betreten des Hauses kommt man sofort in diese ganz besondere Theaterstimmung. Die Holztüren öffnen sich und geben den Blick frei auf stuckverzierte Wände und Decken, von denen glänzende Leuchten hängen. Im Orchestergraben sitzen bereits Musiker*innen des Kärntner Sinfonieorchesters und spielen sich ein. Die Klangwolke, die dabei entsteht, vermischt sich mit dem Stimmengewirr der Zuschauer*innen, die nach und nach die Reihen füllen.
Als alle auf ihren Plätzen sind, senkt sich das Licht, der Vorhang hebt sich, und der Blick wird frei auf eine Tänzerin, die auf einem Podest steht. Tief über ihr hängt eine Lampe, die sie in einen Lichtkegel hüllt. Nebelschwaden steigen um sie auf. Langsam beginnt sie, sich zu den Klängen von Ravels Boléro zu bewegen. Zuerst hebt sie nur ihre Hände, weicht kaum von der Stelle. Doch je mehr sich die Musik steigert, desto energischer wird auch sie. Geschmeidig und zugleich kraftvoll zieht sie den gesamten Zuschauerraum in ihren Bann.
Ein Klavier auf der Bühne, Musik fürs Herz
Auch für „Ssss …“, die Choreographie, die Clug zu den Nocturnes geschaffen hat, ist das Bühnenbild einfach, aber effektiv. Ein Klavier steht auf der Bühne, daneben sind mehrere Reihen von Klavierhockern. Hier steht das Zwischenmenschliche im Fokus. Tanzpaare scheinen nicht voneinander loszukommen, ziehen sich an und stoßen sich voneinander fort. Der Tanz wird eins mit der Musik, wunderbar gespielt vom Pianisten Petar Milić.

Nach der Pause kommt es zum Höhepunkt des Abends. „Der Ritus (Sacre)“ setzt sich zu den Klängen von Stravinsky mit Krieg und Frieden auseinander. Erneut hebt sich der Vorhang. Tänzer*innen stehen wie für ein Sektenritual in einem engen Kreis, während von der Decke rote Seile hängen, die an Gitterstäbe erinnern. Ein Paar nähert sich ihnen an und wird immer tiefer in die Abgründe hineingezogen.
Die tänzerische Präzision ist beachtlich. Das Ensemble bewegt sich zu den intensiven Klängen der Musik als geschlossene Front. Kraftvoll vermitteln sie ein Gefühl der Bedrohung, man fühlt sich selbst wie gefangen, während auf der Bühne die Schlacht beginnt. Wie schwerelos springen die Tänzer*innen durch die Luft. Die Solistin wird immer wieder in die Höhe gehoben und herumgewirbelt. Die Ausweglosigkeit ihrer Lage wird deutlich spürbar, während sie versucht, ihren Geliebten zu erreichen. Ein Gefühl der Beklemmung steigt in mir auf. So intensiv ist die Energie, die transportiert wird.
Boléro zeigt deutlich, dass Ballett nicht nur schön ist, sondern genauso Beklemmung, Bedrohung und Schmerz vermitteln kann. Am Ende des Abend gibt es Standing Ovations für die Tänzer*innen und das Kärntner Sinfonieorchester.
Das Stadttheater Klagenfurt zeigt Boléro noch bis 10. Dezember 2025.
Wo: Theaterplatz 4, 9020 Klagenfurt am Wörthersee
Mehr Infos gibt’s hier.


