Eine Schriftstellerin wird von einem Theatermacher angerufen, um bei der Entstehung eines Projektes mitzuarbeiten. Dazu soll sie nach Südamerika fliegen, da sie dort gemeinsam das Stück erarbeiten wollen. Dabei zeigen sich dann die wirklich interessanten Geschichten: die der Mitmenschen.
Anm. der Redaktion am 13.10.2025: „Die Holländerinnen“ von Dorothee Elmiger hat den Hauptpreis des Deutschen Buchpreis 2025 verliehen bekommen.
“Die Holländerinnen” ohne Holländerinnen
Der Titel des Romans von Dorothee Elmiger bezieht sich auf zwei junge Frauen aus Holland, die vor einigen Jahren in Südamerika auf Wanderung gingen. Und nicht mehr zurückkamen. Einige Artefakte, wie die Daten der Handys und Fotos der Digitalkamera, sind aber erhalten. Diese Geschichte soll der Grundstein für das zu erarbeitende Theaterstück sein.
Die Protagonistin berichtet in einer Vorlesung über diese Erfahrungen in Südamerika. Die ungewohnte Umgebung, die Erarbeitung des Stückes und die Reise, die sie für das Stück angetreten ist. Außerdem erzählt sie, welche Geschichten sie dabei unterwegs festgehalten hat. Dabei dreht sich viel um Leben, Tod und die fiktionale Darstellung dieser beiden gegensätzlichen, aber zusammenhängenden Themen.
Emotionen und Lebenserfahrungen
Die Erfahrungen, die ihre Mitmenschen in ihrem Leben gemacht haben, stehen hier im Fokus. Ein Dramaturg, eine Produktionsassistentin, die Kostümbildnerin – sie alle wurden vom Theatermacher zusammengebracht. Einige der Kolleg*innen erzählen Geschichten und Erfahrungen aus ihrem Leben, die ihnen zum grundlegenden Thema einfallen: zur Geschichte der Holländerinnen. Dabei gibt der Theatermacher auch immer wieder andere Impulse und verteilt kulturtheoretische Texte, die durchgearbeitet und dann in der Runde besprochen werden.

Diese offene Art bringt unterschiedlichste Geschichten zum Vorschein. Zum Beispiel vom Leben auf einem Bauernhof, auf dem mehrere Ziegen gleichzeitig Nachwuchs bekommen, hin zu einer anderen Produktion, bei der die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen. Und dabei befindet man sich mit der Erzählerin in der Vergangenheit im Dschungel, wo das Team auf den Spuren der Holländerinnen wandert.
Die Erzählerin berichtet von den Diskussionen in der Gruppe, über ihre eigenen Eindrücke bei Nacht, unvorhergesehene Ereignisse und die Wanderung durch den Dschungel. Dabei vergisst man zwischendurch, dass sich das alles eigentlich “nur” während der Vorlesung abspielt, und wir als Leser*innen eigentlich auch gar nicht mit auf der Reise sind.
Intensive Narrative
Teilweise war ich etwas verwirrt, da die Erzählerin und manche Figuren nicht namentlich erwähnt werden, sondern nur durch ihre Funktion betitelt werden. So war auch der Einstieg etwas schwierig, da gleich am Anfang sehr viele Informationen gegeben werden und viel im Konjunktiv erzählt wird.
Doch wenn man sich über den Anfang drüber getraut hat, taucht man in viele wahnsinnig spannend erzählte Geschichten ein, die einen dann in einem sehr angenehmen Rhythmus auf die Reise in die verschiedenen Situationen mitnehmen. Insgesamt ist es ein bisschen intellektuell gefärbt, mit Zitaten von dem Philosophen Adorno oder Filmregisseur Herzog, die einen aber nicht am Lesen hindern sollen.
Dorothee Elmiger, Die Holländerinnen. € 23,70 / 260 Seiten. Hanser Verlag, München 2025.


