In Yasmina Rezas bitterböser, entlarvender Komödie “Der Gott des Gemetzels” in Mödling liefert das vierköpfige Ensemble eine große Show ab.
Der Kultursommer in Mödling ist eröffnet! Nach 25 Jahren Shakespeare von und mit Nicole Fendesack hat heuer mit dem THEATER / AB / HOF ein neues, junges Team den lauschigen Konzerthof der Stadtgemeinde übernommen. Samantha Steppan, David Czifer und Clemens Fröschl setzen jetzt auf moderne, zeitgenössische Komödien – und starten gleich einmal mit einem Gemetzel. Besser gesagt mit dem „Gott des Gemetzels“ von Starautorin Yasmina Reza.
Eskalation statt Vergebung
Der Plot ist rasch erzählt. Das Vier-Personen-Kammerspiel beginnt mit einer wahren Begebenheit. Ein Schulfreund von Yasmina Rezas Sohn hat einem anderen mit einem Stock einen Zahn ausgeschlagen. Die Autorin versammelt nun die Eltern der beiden in einem Wohnzimmer zwecks Aufarbeitung des Zwischenfalls. Doch auf die erwartete Entschuldigung folgt bald eine noch größere Eskalation, weil die scheinbar vernünftige und von Toleranz geprägte Aussprache kippt und die Situation aus dem Ruder läuft.
Denn während der Vater des Übeltäters (Paul Wiborny) die meiste Zeit des Abends am Handy hängt, um einen Pharmaskandal zu vertuschen, der auch die Großmutter des Opfers betrifft, hat dessen Vater (David Czifer) den Familienhamster entsorgt. Die Mutter des Täters (Elsa Schwaiger) findet das Ganze einfach nur zum Kotzen, und auch die Fassade der Gastgeberin und Opfermutter (Stephanie-Christin Schneider) bröckelt.
Große Fragen von Ethik und Moral
Bald liegen sich die beiden Paare (und auch die Ehepartner*innen untereinander) in den Haaren darüber, ob und wie nun die fällige Entschuldigung stattfinden soll. Immer mit einem eisigen Lächeln im Gesicht, zumindest bis zur Pause. Danach zeigt jede*r sein wahres Gesicht und spuckt dem Gegenüber in selbiges. Spätestens da liefern die vier Schauspieler*innen eine große Show ab.
Zu diesem Zeitpunkt geht es in Wahrheit längst nicht mehr um den Stockschlag, sondern um viel mehr, nämlich um große Fragen von Ethik und Moral, in dieser entlarvenden, bitterbösen, vor Sarkasmus triefenden Komödie, in der ein Stein nach dem anderen durchs Glashaus geworfen wird. Darf man anderen ihre Schwächen zur Last legen? Wo enden Anstand und Moral? Gilt eine Entschuldigung nur, wenn sie von Herzen kommt? Verhandelt man Beziehungskrisen vor anderen? Soll man Leichen aus dem Keller ans Licht zerren? Und: Wer traut sich, den Gott des Gemetzels heraufzubeschwören?
“Der Gott des Gemetzels” im Konzerthof der Stadtgemeinde Mödling, Pfarrgasse 9 / von Yasmina Reza, mit David Czifer, Stephanie-Christin Schneider, Elsa Schwaiger und Paul Wiborny / Inszenierung: Samantha Steppan
