„Hand Made Tyrant“ im Schubert Theater – Zwischen Sandkasten-Spiel und politischer Parabel

Mit Hand Made Tyrant“ zeigt das Schubert Theater, dass Puppenspiel weit über Kindertheater hinausgehen kann – und auch will. Die Inszenierung von Sarah Wissner mit Soffi Povo und André Reitter ist ein künstlerisch ambitioniertes, auf (literally) mehreren Stufen schräges Theatererlebnis, das sich bewusst vom Mainstream absetzt. Es ist eine Vorstellung, die das Publikum entweder mit Interesse verfolgt oder die einen mit vielen Fragezeichen nach Hause schickt. Es ist nichts für Jede*n – soll es aber auch nicht sein.

Die Bedeutung des blassen Herrschers

Basierend auf Erich Kästners „Die Schule der Diktatoren wird der satirische Geist des Autors aufgegriffen und in ein bizarres, fast surrealistisches Setting verlagert. Dabei ist „Hand Made Tyrant” sowohl verspielt als auch verstörend – ein künstlerisch-experimentelles Puppenspiel. 

Knister*Wissen: „Surrealismus“ ist eine Kunstrichtung, die sich seit den 1920er Jahren entwickelt hat und das Unbewusste, Träume und Fantasie in den Mittelpunkt stellt. Sie versucht, die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit aufzulösen und eine “Überwirklichkeit” zu erschaffen.

Was auf den ersten Blick verspielt wirkt, entpuppt sich rasch als vielschichtige Auseinandersetzung mit Macht, Größenwahn und blinder Gefolgschaft. Die Titelfiguren, aufeinanderfolgende Tyrannen im Puppenformat, dienen als Spiegel für reale Autokraten unserer Welt.Trotz der stilisierten Form wird einem immer wieder bewusst, wie erschreckend aktuell das Thema ist. Ein Diktator folgt auf den anderen, eine Herrschaft löst die andere gewaltsam ab und wird hier nicht nur sprichwörtlich gestürzt (abermals eine Anspielung auf die Treppen).

Dabei ist es auch zwingend notwendig, einen Blick auf die in erster Linie kargen und uninspirierten Puppen zu werfen. Ohne jegliche Mimik und irgendeine Farbe werden uns die Protagonisten des Stückes gezeigt. Doch was zuerst langweilig erscheint, gewinnt immer mehr an Bedeutung. Natürlich sind die titelgebenden „Tyrants“ leblose, farblose und charakterlose Geschöpfe.Es sind Abbilder der vielen Selbstinszenierer und Narzissten, die sich um unsere Welt streiten. 

Hand Made Tyrant im Schuberttheater (c) Barbara Pálffy

Zwischen Sandkasten und Immersion

Povo und Reitter bleiben als Darstellerin und Darsteller definitiv im Kopf hängen – egal ob durch ihre eingeworfenen politischen Anmerkungen oder durch ihre Arbeit mit den Puppen. Eines ist dabei jedoch besonders auffällig: Der irritierende und zugleich faszinierende Kontrast in ihrer Darbietung. Einerseits erinnern die beiden an zwei Kinder, die mit Actionfiguren im Sandkasten Machtfantasien im übertriebenen Ausmaß ausspielen. Auf gewisse Weise eine Anspielung auf Putin, Trump und Co. Andererseits bewegen sich die Puppen mit einer fast beunruhigenden Authentizität: Jede Geste sitzt, jeder Blick ist bewusst gesetzt. 

Povo und Reitter bewegen die eigentlich leblosen, weiß gehaltenen Puppen, in voller Sichtbarkeit mit den Händen und Füßen. Eigentlich komisch, dass man so in die Handlung hinein kippt – irgendwie gelingt es den beiden allerdings doch, das Publikum in die Welt der Diktatoren hineinzuziehen. Es ist die Reibung zwischen kindlicher Plakativität und künstlerischer Präzision, die schlichtweg eine seltsam fesselnde Atmosphäre schafft.

Fazit

Hand Made Tyrant“ ist kein gefälliges Stück – aber eines, das im Gedächtnis bleibt. Es fordert sein Publikum heraus und provoziert. Aber es regt an, über Machtstrukturen und die Verführbarkeit der Masse nachzudenken. Und allein dafür lohnt sich ein Blick auf diesen ungewöhnlichen Abend.

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