Mit ihrem zweiten Gedichtband „hungern beten heulen schwimmen“ holt Sirka Elspaß die Leser*innen ab und zeigt ihnen die Welt der Gefühle. Beeindruckend, wunderschön und unglaublich intensiv.
Mit ihrem Debüt „ich föhne mir meine wimpern“ wurde Elspaß 2022 für den Österreichischen Debütpreis und den Clemens-Brentano-Preis nominiert. Es ist ein kluger und ergreifender Lyrikband, voller ikonischer Gedichte, die mal ernste, mal triviale Dinge ansprechen.
und wenn es einen himmel gibt / hängen dann dort setzkästen / für tröstliche metaphern
Der aktuelle Band steht dazu in starkem Kontrast. Ihre Gedichte sind ernster geworden, nachdenklich, dennoch leicht und verspielt. Elspaß spricht das Ernste, das Traurige und das Wichtige an, ohne dabei abgedroschen zu klingen. Es macht großen Spaß, ihre Gedichte zu lesen, baut sie doch auch das Fantastische und Schöne immer wieder ein.
Meisterin des Herzergreifens
Elspaß‘ Lyrik ist besonders. Das liegt zum einen am Kleinen, das sie in den Blick nimmt und zu etwas Großem macht. So beispielsweise die Beschwichtigung an sich. “wie oft da keine sorge / steht im chatverlauf” heißt es etwa im Gedicht heulen. Zum anderen liegt es an der konsequenten Kleinschreibung, den fehlenden Satzzeichen und den willkürlich abgeteilt scheinenden Verszeilen. So entstehen Leerstellen, die zum Nachdenken und Schmunzeln anregen.
Knister*Wissen: Als Leerstelle wird eine Stelle in der Literatur bezeichnet, die etwas nicht konkret benennt oder erklärt. Dadurch sind die Leser*innen aufgefordert, ihren Interpretationen und Assoziationen freien Lauf zu lassen. Sprich: Die Lücken, die der Text offen lässt, werden mit eigenen Gedanken gefüllt.
Elspaß verpackt existenzielle Fragen behutsam und zeichnet ein wunderbares Bild, fernab der literarischen Norm. Innerhalb dieser wird sonst oft über sich selbst, die menschlichen Abgründe und das Leben mit der Dunkelheit gesprochen und weniger über die kleinen Details, die dazugehören. Dafür nutzt sie das Direkte wie das Indirekte. Sie spricht die Dinge also manchmal an, wie sie sind und umschreibt sie an anderer Stelle gekonnt.
Häufig spricht sie den Tieren Rollen zu. So “ist die robbe wie sie sich da vom strand / ins wasser schiebt auch nur ein engel”, die Krähe ist bereit zu verhandeln und die Amsel wird aufgesattelt. Dabei spielt das vermeintlich göttliche und engelsgleiche eine andauernde Rolle und wird immer wieder neu besprochen.
das dunkle zahlt / die miete nicht

Sei lieb zu d/mir
Es ist ein herzergreifender Lyrikband, der lange im Gedächtnis bleibt. Mit gekonnt eingesetzten Anglizismen und ganzen Versen auf Englisch sagt die Autorin, was sich sonst nicht sagen lässt. Immer wieder lehnt sie sich an große Dichter*innen wie Sylvia Plath, Anne Carson oder John Ashbery an.
Elspaß‘ Stil ist unverkennbar und hat eine neue Dimension innovativer und schöner Lyrik eröffnet. Ihr Hang zum Kleinen, beinahe Unscheinbaren, ist es, was ihre Lyrik so groß wirken lässt. Die Feinheiten des Lebens wägt sie wunderbar ab und lenkt den eigenen festgefahrenen Blick auf neue Bahnen. Eine große Leseempfehlung, unter anderem wegen Zeilen wie:
vieles / in diesem leben eignet sich jahre / später als anekdote aber zum leben / eignet es sich nicht
Sirka Elspaß, „hungern beten heulen schwimmen“. € 20,- / 80 Seiten. Suhrkamp, Berlin 2025.


