ICH BIN DAS VOLK – Severin Groebner ** Wer die Demokratie nicht mag, sollte die Alternativen fürchten

Kabarettist Severin Groebner ruft sich zum Alleinherrscher aus. Weil irgendwer muss ja die politische Drecksarbeit machen.

„Die Demokratie“, soll der legendäre britische Premier Winston Churchill einmal gesagt haben, „ist die schlechteste Regierungsform – mit Ausnahme von all den anderen Regierungsformen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.“

Severin Groebner hat sich diesen alten Spruch des Zeitgenossen von Adolf Hitler zu Herzen genommen und widmet sein brandneues Programm „Ich bin das Volk“ der Demokratie und ihren Alternativen. Die Ausgangslage in diesem zwölften Streich als Solokabarettist: Seine Bühnenfigur hat Job, Frau und Haus verloren.

Aber das kann den guten Mann nicht aus der Bahn werfen. Weil er endlich seine wahre Berufung findet: Er ruft sich zum Imperator von Europa aus. Zum ultimativen Herrscher, der durch die Abschaffung der Demokratie sein Volk vor dem demokratischen Untergang retten will. Wie das funktionieren soll, das erläutert Imperator Walter (so sein Herrschername) in einer zweistündigen Ansprache (mit Pause) vor seinen Untertanen. 

WORTSPIELE UND POLITIK-KRITIK

Sprachgewandt wie immer mit fein ausgearbeiteten Wortspielen zerlegt er die aktuelle Politik und führt Identitäre und Reichsbürger am Nasenring durch den Ring. Und alle anderen Neuen Rechten mit ihnen. Aber auch andere bekommen ihr Fett ab. Wladimir Putin sowieso, doch auch Groebners eigene Boomer-Generation wird seziert.

Die Linken kommen ebenfalls nicht zu kurz – wobei man aufpassen muss, dass man ihm nicht auf den Leim geht. Denn in Wahrheit meint er das, was er da in seiner Ansprache von sich gibt, wohl genau umgekehrt. Wohingegen beim Thema Künstliche Intelligenz, das ihn ebenfalls beschäftigt, seine Position höchst klar ist.

Und dann ist da noch die Lebenskrise eines Mannes über fünfzig, der sich gesellschaftlich überflüssig fühlt. Das ist der Moment, in dem Groebners Bühnenfigur im Selbstmitleid badet und man durchaus überlegt, wie persönlich-authentisch er in diesem Zusammenhang wird. Also nicht bei der Sache mit dem Haus mit Pool und Hobbykeller, aus dem er ausziehen musste. Aber so ganz grundsätzlich spielt er die Rolle des alternden weißen Mannes, der eigentlich nicht mehr weiß, was er sich jetzt noch vom Leben erwarten soll, nur allzu gut.

Severin Groebner wird zum Diktator. (c) Dominic Reichenbach, Dominik Kaiser
Severin Groebner wird zum Diktator. (c) Dominic Reichenbach, Dominik Kaiser

SELBSTIRONIE UND BISSIGE SATIRE

Hier kommt auch eine gehörige Portion Selbstironie zum Einsatz, die er mit gewohnt bissiger Satire mischt. Groebner hält mehrmals nicht nur sich, sondern auch dem Publikum den Spiegel vor. Er erläutert, wie Kapitalismus und Neoliberalismus funktionieren, wie rechte Politik zunehmend wieder die Macht übernimmt. Und so, wie er seine geplante Diktatur skizziert, müssen wir eigentlich froh sein, wenn wir lediglich eine autokratische Regierung bekommen.

Das Bedenkliche dabei ist: Wenn man nach seiner zweistündigen Rede das Gehörte noch einmal Revue passieren lässt, wird einem bewusst, dass vieles von dem, was er da geschildert hat, tatsächlich bereits in der einen oder anderen Form existiert. Vielleicht noch nicht in Österreich, aber nicht so weit weg von uns. 

Severin Groebner (Jahrgang 1969) steht seit 1992 auf der Bühne. Zunächst bildete er mit Klaus Gröll ein Musikkabarett-Duo, ab 1999 wandelte er auf Solopfaden. Der gebürtige Wiener lebt und arbeitet vor allem in Deutschland. „Ich bin das Volk“ ist sein 12. Soloprogramm.

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