Ein kompromissloses Porträt über Oksana Schatschko, eine Frau, die nackt gegen Diktatoren kämpfte und der Welt den Spiegel vorhielt. Schon nach den ersten Bildern war mir klar: Dieser Film wird mich nicht kalt lassen.
Worum geht’s? (Achtung Spoiler!)
Oxana (im Film wird die Figur mit ‚x‘ geschrieben) wächst in der Ukraine auf. Sie malt Ikonen, hält ihre Familie finanziell über Wasser – und verliert schon früh den Glauben an die Kirche, weil sie Macht und Geld über die Menschen stellt. Daraus entwickelt sich ein radikaler Bruch: Sie gründet 2008 mit Mitstreiterinnen die Bewegung FEMEN. FEMEN wird durch seine Aktionsform weltbekannt: Frauen protestieren oberkörperfrei, mit Blumenkränzen im Haar und Parolen auf den Körper geschrieben. Sie wenden den Blick auf Themen wie Sextourismus, patriarchale Gewalt und politische Korruption.
Doch der Protest hat seinen Preis. Oxana protestiert in Belarus und Russland gegen Lukaschenko und Putin, wird entführt und gefoltert. Sie wird in die Ukraine ausgeliefert, doch die Situation für die FEMEN Bewegung wird immer gefährlicher. 2013 flüchtet sie nach Frankreich. Doch auch dort bleibt sie zwischen Kunst, Aktivismus und persönlicher Erschöpfung gefangen – und nimmt sich das Leben.
Der Film beginnt und endet mit dem Kupala Fest, welches auch eine filmische Rahmung darstellt. Das Kupala-Fest ist ein sommerliches Ritualfest, bei dem Naturverbundenheit, Blumenkränze, Tänze, Reinigungsbäder und Weissagungen im Mittelpunkt stehen. So gilt etwa der Brauch, dass der auf dem Wasser treibende Blumenkranz einer Frau ihr künftiges Eheglück vorhersagen soll. In der Anfangsszene des Films sieht man die junge Oxana bei diesem Fest: Sie ruft ‚Ich möchte Gott heiraten‘ und läuft davon. Der Film endet mit der erwachsenen Oxana. Sie trägt einen Schleier und tanzt mit nackten Frauen in die Nacht.
FEMEN Bewegung:
2008 gründet Oksana Schatschko mit Anna Hutsol und Alexandra Schewtschenko die Bewegung Femen. Durch oberkörperfreie Proteste mit Blumenkränzen und Parolen lenkten sie international Aufmerksamkeit auf Sextourismus, patriarchale Strukturen und autoritäre Regime.

Emotionale Erzählstruktur for the win.
Der Film verwebt drei Zeitebenen: Zwischen ihrer Kindheit, ihrer Jugend als sie die FEMEN Bewegung gegründet hat und ihr letzter Tag als Erwachsene Frau in Paris. Oxanas letzter Tag in Paris – zwischen politischem Asyl, Kunst & Abschied – und Rückblenden aus ihrem Leben. So entsteht ein komplexes Bild, das eine Anklage gegen Unterdrückung und zugleich ihr Vermächtnis ist.
Die ukrainische Schauspielerin Albina Korzh trägt den Film fast allein. Sie spielt Oxana kompromisslos, mit voller Wucht. Man spürt ihre Energie, ihre Wut, ihre Leidenschaft, aber auch die Müdigkeit, die in stillen Momenten durchbricht. Die Kameraarbeit ist intensiv und nah. Nacktheit wird nicht sexualisiert, sondern zu einem Symbol für Widerstand und Verletzlichkeit. Das macht den Film ästhetisch stark, manchmal auch schmerzhaft direkt.

Stark aber auch lückenhaft
So intensiv und berührend der Film ist, er lässt einiges offen. Politische Hintergründe, interne Konflikte innerhalb von FEMEN oder die Frage, warum Oxana am Ende keinen Ausweg mehr sieht…Das bleibt im Dunkeln. Durch die Bildsprache versucht der Film, innere Gründe sichtbar zu machen. Aber bei psychisch anspruchsvollen Themen bleibt dies für Außenstehende immer nur eine Annäherung. Damit läuft der Film Gefahr, Oksana zu einer tragischen Heldin zu machen, ohne ihre Facetten richtig darzustellen. Gleichzeitig ist es vielleicht Absicht: Regisseurin Charlène Favier will keine Lehrstunde geben, sondern eine emotionale Erfahrung schaffen.
Mein Fazit
“Oxana – Mein Leben für Freiheit” ist ein intensiver Film über eine Frau, die ihren Körper zur Waffe machte und alles für die Freiheit riskierte. Er ist kraftvoll, kompromisslos, manchmal schwer zu ertragen – aber genau das bleibt hängen. Wer ein analytisches Porträt erwartet, wird vielleicht enttäuscht. Wer sich aber auf die Wucht von Bildern, Körpern und Emotionen einlässt, wird den Kinosaal nicht unberührt verlassen.