Unentdeckt – Gabriela Wiener ** Kolonialismus und Polyamore Beziehungen

In dem Text “Unentdeckt” von Gabriela Wiener dreht es sich sowohl um kollektive familiäre Vergangenheit, geprägt durch den Kolonialismus, als auch um die Muster, die das einzelne Familienmitglied daraus erhält und weitergibt. Mit so vielen Themen war der Einstieg für mich etwas schwierig. Aber nach einigen Seiten konnte ich das Buch fast nicht mehr weglegen. In den 200 Seiten sind extrem viele Themen aufgenommen und eingeordnet worden, um danach wieder abgelegt zu werden. 

Jede Familie hat ihre Vergangenheit

Das Buch ist in zwei Teile untergliedert. Der Erste setzt sich verstärkt mit ihrer familiären, lateinamerikanischen und kolonial geprägten Geschichte auseinander. Der zweite Teil beschäftigt sich dann mit ihrer eigenen polyamoren Beziehung in Spanien.

Gabriela Wiener verbindet in dem Buch ihre persönlichen privaten Erfahrungen mit der kolonialen Gewalt, die ihrem Land widerfahren ist und die sie in einen größeren Kontext setzt. Als der Vater stirbt, fliegt sie zurück nach Peru zur Beerdigung und setzt sich mit ihrer familiären Vergangenheit auseinander. Eine familiäre Identität durch den Ururgroßvater, den keiner kannte und die damit einhergehende weißere Haut, die sie selbst nicht hat, da ihre Mutter nicht-weiß ist.

Die Vergangenheit in der Gegenwart

Wiener stammt von dem gleichnamigen Charles Wiener ab –  einem jüdischen Forschenden aus Wien. Er betrieb im Namen des französischen Staates Forschungen in Lateinamerika, die kolonial und rassistisch sind. Seine Untersuchungen sind vor allem herablassend über die Menschen und ihre Lebensweise, sowie über ihre körperlichen Merkmale und rassistische Kategorien zu erschaffen. 

Doch nicht nur die koloniale Vergangenheit beschäftigt Gabriela Wiener, auch die nähere Vergangenheit ihres Vaters. Dieser hatte immer eine zweite Familie, von der die erste – Wieners Familie – lange Zeit nichts wusste. Sowohl seine Ehefrau als auch seine Geliebte kann er nicht loslassen, so betrügt er beide.

Unentdeckt – der Roman von Gabriela Wiener (c) Paul Vallejos

Der Versuch es anders zu machen

Seine Tochter, die Protagonistin, zieht dieses Muster schließlich auf andere Weise fort. Sie lebt in Spanien in einer polyamoren Beziehung mit einem Latinomann und einer weißen Frau. Auch sie hat eine Tochter. Sie betrügt diese Dreierbeziehung, zunächst in Peru, danach auch wieder in Spanien. Dieser Dynamik entkommt sie nicht, kann sie beschreiben und sehen, aber nicht aufhalten. In einem Workshop versucht sie, ihren eigenen Rassismus gegen sich selbst aufzuarbeiten und abzulegen. Die Erfahrung ist für sie sehr bereichernd, aber auch aufwühlend.

Fazit

In “Unentdeckt” von Gabriela Wiener wird die Verbindung von kolonialem Erbe mit persönlicher Identität aufgezeigt. Diese weit zurückliegende Geschichte prägt immer noch ihre Identität in der Gegenwart und ist nicht einfach abzulegen oder zu ignorieren. Die Autorin fasst die Spannung gut ein, die eine kolonial geprägte Familiengeschichte mit sich bringt (gerade für eine weiße, europäische Leserin). Sie versucht, diese Vergangenheit aufzuarbeiten, muss dabei aber auch an sich selbst arbeiten. Viele Verhaltensmuster, die sie selbst an den Tag legt, sind ihr von der familiären Dynamik weitergegeben worden. 

Ich wurde in Wieners verzweifelten, aber sehr ruhig beschriebenen Handlungen regelrecht hineingezogen und konnte nicht aufhören zu lesen. Ihre ruhige und bestimmte Erzählung über so viele in Konflikt stehenden Gefühle hat mich in den Bann gezogen. Eine spannende Auseinandersetzung von kollektiver und individueller Identität.

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