Der „Karfiol“ wird zur „Kartoffel“, die „Matura“ zum „Motorrad“, die „Melange“ zur „Milätschn“, der „Topfen“ zu den „Top Ten“. Willkommen in der Sprachwelt von „Luksan Wunder“, wo schwierige Wörter – in diesem Fall typisch österreichische – „korrekt“ ausgesprochen werden. Das 2015 gegründete Satire-Kollektiv, bestehend aus Charlotte Hübsch, Sandro de Lorenzo, Felix Römer, Jan Geuer, Martin Kölker-Heinrich und Sophie Henn, macht am 30. Mai den Wiener Stadtsaal unsicher und bringt seinen skurrilen Humor aus den Social Media nun auch in Wien auf die Bühne. Im „kultur*knistern“-Interview mit Mathias verrät „Luksan Wunder“-Gründungsmitglied Sandro de Lorenzo, was hinter der „korrekten“ Aussprache steckt, wie das Kollektiv zu seinem Namen gekommen ist, und welche Kehrseite der Internet-Ruhm hat, den ein zehn Millionen Mal geklicktes Video gebracht hat.
Das Satirekollektiv „Luksan Wunder“ wurde 2015 von Sandro De Lorenzo Gardinal und Charlotte Hübsch gegründet. In den vergangenen zehn Jahren sind zahlreiche unterschiedliche Formate entstanden: „Korrekte Aussprache“, „Literal Videos deutsch“, „Wie man richtig…“, „Wie klingt eigentlich?“, „Reise(L)ust“, „Unsachgemäße Betrachtungen“, „Erweckt Euch! mit Dr. Wahrheit“, „Sprechen wie im Internet“, „Brigitte fährt Zug“ oder „Netzkolleg Basiswissen“. Neben mehr als 1.500 Online-Videos – das erfolgreichste war bisher „The most unsatisfying video ever made“ mit rund zehn Millionen Klicks – haben sie auch vier Musikalben und zahlreiche Singles veröffentlicht, betreiben den Radio-Parodie-Podcast „WTFM 100,Null“ und touren mit ihrer gleichnamigen Liveshow durch den deutschsprachigen Raum. Am 30. Mai sind sie im Wiener Stadtsaal zu Gast.
Ihr gastiert am 30. Mai im Wiener Stadtsaal. Als Vorgeschmack gibt es mehrere Videos, wo ihr österreichische Wörter „korrekt“ – also komplett falsch – aussprecht, was ja schon lange ein Teil eurer Komik ist. Wie seid ihr auf diese Idee gekommen?
Sandro: Das ist jetzt gute zehn Jahre her. Damals gab es so einen Post, ich glaube von Spiegel Online, wo sie gezeigt haben, wie man schwierige Wörter richtig ausspricht. Da haben wir uns gedacht, das können wir auch, aber eben in die andere Richtung. Wir haben dann Wörter genommen, die häufig falsch ausgesprochen werden, und eine Serie daraus gemacht, die rasch ins Absurde abgeglitten ist. Das ist dann irgendwie viral gegangen und hat sich so festgesetzt. Mittlerweile gibt es nicht nur die Klassiker, sondern die Leute schicken uns auch Wörter. Oder jemand von uns stolpert über ein Wort. Man muss halt immer schauen, ob es vom Schriftbild her funktioniert, ob das was hergibt, das lustig auszusprechen ist. Manchmal ist die neue Bedeutung eigentlich ganz nah dran am Original und manchmal obskur weit weg.
Eure Wörterliste ist ja unfassbar lang, von der „Vernissage“, die zur „Fairness AG“ wird, bis zur „Chrysantheme“ als „Crystal Meth“. Und das in reiner Handarbeit in Zeiten, wo sich andere von der KI Brainrot-Videos erstellen lassen.
Sandro: Wir gehen tatsächlich noch ganz oldschool ins Tonstudio und ins Filmstudio.
Wobei ich ganz ehrlich gestehen muss: Bei mehreren falsch ausgesprochenen österreichischen Wörtern fühle ich mich fast schon intellektuell beleidigt, weil ich nicht nachvollziehen kann, wie man überhaupt auf diese absurde Aussprache kommen kann. Passiert es euch, dass Leute das tatsächlich ernst nehmen und sich aufregen, weil ihr ihre schöne Sprache so verarscht?
Sandro: Bei diesem Format selten. In anderen passiert es schon dann und wann. Aber einen großflächigen Shitstorm hatten wir noch nicht. Wo es schon Aufregung gab, das war bei den Hymnen, also Landeshymnen und Nationalhymnen. Da haben wir zum Beispiel die italienische Hymne neu „übersetzt“, und wenn man das dann liest, ergibt es in sich schon wieder einen witzigen Sinn.
In den Kommentaren unter euren Postings gibt es dann mitunter ernsthafte Diskussionen. Ist da die scheinbar sinnfreie Komik die Brücke zu sinnvollen Debatten?
Sandro: Das hängt ein bisschen von der Plattform ab. Auf Instagram passiert das häufiger einmal, dass die Leute untereinander zu diskutieren beginnen.Da greifen wir dann ein bisschen moderierend ein. Auf Youtube haben wir eine ziemlich feste Community, die unter unseren Videos ihre eigene Party macht, die regeln das meistens selbst. Aber wir machen unsere Gags in erster Linie um der Gags willen. Wenn sich dann daraus eine Diskussion ergibt, ist es fein, aber nicht das primäre Ziel.
Ein großer Teil eurer Arbeit spielt sich online ab. Haben die Sozialen Medien den Humor demokratisiert? Heute kann ja praktisch jede*r einfach einmal so irgendwas posten.
Sandro: In gewisser Weise schon. Freilich ist nicht alles, was an Humor im Internet verbreitet wird, auch gut. Aber natürlich geht es online leichter, als wenn du dir in Natura ein Publikum erspielen musst. Das ist deutlich schwerer. Da musst du Plakate aufhängen, und in einen Club, wo nur vier Leute da sind, und dann in den nächsten mit zehn Gästen.Und wenn du später wieder in die Stadt kommst, sind es zwanzig.
So eine Bühnentour ist deutlich mehr Aufwand als jeden Tag ein Reel zu posten – und es ist auch deutlich teurer. Vor allem ist das Scheitern ein viel intensiveres, wenn du zum Beispiel vor drei Leuten spielst und keiner dich lustig findet. Aber diese schmerzhaften Scheiter-Erlebnisse auf der Bühne sind auch sehr nützlich für die eigene Entwicklung. Du sammelst Erfahrung, was beim Publikum funktioniert und was nicht. Jetzt ist es so, dass immer öfter Internet-Comedians auf die reale Bühne drängen, und die stehen dann zum ersten Mal dort vor fünfhundert Leuten. Das ist dann etwas schwieriger. Für uns, die wir alle gelernte Bühnenleute sind, ist ein so großes Live-Publikum keine mentale Herausforderung mehr.
Umgekehrt kann auch im Internet der Druck gewaltig sein, wenn man mit einem Reel zigtausende Klicks erreicht hat, und beim nächsten sind es nur hundert.
Sandro: Ja, das ist dann frustrierend, wenn du selbst einen Gag echt gut findest, aber er vom Algorithmus einfach ignoriert wird. Und die Verbreitung im Internet funktioniert nun einmal über Masse. Also je mehr und je regelmäßiger du postest, desto höher ist auch deine statistische Chance auf Erfolg.
Also setzt sich nicht unbedingt nur Qualität durch?
Sandro: Es braucht vor allem Originalität. Die zu behalten, ist gar nicht so einfach.
Und es ist auch ein Zeitfresser, kann ich mir vorstellen.
Sandro: Ja, wir sind auf Tour, schreiben nebenher ein neues Programm, und dann müssen wir eben auch regelmäßig posten. Weil es ist eben nicht so, dass du einmal deine Million Klicks kriegst, und dann bist du zufrieden und gehst auf Urlaub. Sondern da kommt es schon einmal vor, dass du dir denkst: Oh, es ist schon Dienstag, und der letzte Post war am Sonntag. Das ist auf Instagram eine Ewigkeit. Das bringt dann schon eine gewisse Grund-Unruhe hinein. Aber wir sind glücklicherweise ein paar Leute, die sich gegenseitig einigermaßen gepegelt kriegen. Wenn ich mir vorstelle, ich müsste das wirklich ganz alleine machen . . .
Ist Social Media eine Herausforderung für Solokünstler*innen?
Sandro: Ja – Vor allem deshalb, weil auch die Agenturen inzwischen wissen, dass die Präsenz in den Sozialen Medien den Erfolg ausmacht und nicht mehr die Schönheit der Plakate oder die Qualität des Bühnenprogramms. Das ist mittlerweile Teil des Jobs, auch bei Bühnenkünstler*innen. Und das führt dazu, dass man dann auch noch ein Reel aus der Garderobe machen muss. Es gibt Leute, wo das gut zu klappen scheint. Felix Lobrecht zum Beispiel haut jeden Tag fünf so Storys oder Reels raus. Aber man muss es halt auch gerne machen. Wenn es nicht deinem Naturell entspricht, dann wird es echt schwierig und geht an die Substanz.
Vor allem, wenn du gerade auf Tour bist und dann trotzdem noch zwischendurch was posten musst. Apropos: Wie sehr unterscheiden sich eigentlich eure Bühnenprogramme von euren Online-Beiträgen? Ihr könnt ja wohl schlecht einen Abend mit hundert Reels füllen.
Sandro: Also wir sind ja alle Bühnenleute und Musiker. Wir haben ein Piano auf der Bühne, ich bin gelernter Rapper. Wir spielen also Lieder aus unseren Alben, machen Sketches, haben aber auch Videos auf der Bühne. Charlotte spielt sehr unterschiedliche Rollen. Das Ziel unseres aktuellen Bühnenprogramms ist es eigentlich, quasi alle Humor-Genres abzudecken. Ich würde sagen, selbst wenn man alle unsere Social-Media-Beiträge kennt, kriegt man trotzdem noch sechzig Prozent neues Zeug. Aber weil ja niemand alle unsere Posts kennt, sind es für die meisten Leute wahrscheinlich achtzig Prozent. Und ein paar Sachen gibt es online überhaupt nicht, das sind ausschließlich Nummern für die Bühne.
Bei euch war also eigentlich zuerst die Bühne und dann erst Social Media?
Sandro: Ja, bei uns allen. Wir kommen alle von der Bühne, in unterschiedlichen Kontexten.

Wie habt ihr euch gefunden?
Sandro: Ich hatte eine Band und ein kleines Label. Die anderen, die bei uns jetzt den Schnitt machen, haben damals unsere Musikvideos gemacht. Dadurch haben wir uns kennengelernt. Das wurde dann immer enger, und irgendwann sind wir alle im Büro gesessen und haben Agenturjobs gemacht, Werbung und so Schnickschnack.Da haben wir uns gedacht, wir müssen einmal wieder etwas selbst machen – und haben diesen Youtube-Kanal gegründet, so als Spielwiese für ein paar dumme Ideen, die man so nebenher macht.
Und dann habt ihr mit dem „unbefriedigendsten Video der Welt“ einen Volltreffer gelandet, der bei zehn Millionen Klicks hält.
Sandro: Ja, das hat auch echt Spaß gemacht. Das war in dieser Zeit, wo es diese „satisfying“ Videos gab, wo alles klappt, und wir haben uns gedacht, dem müssen wir etwas entgegenstellen. Und das ist ein echter Welthit geworden, das war auch in Asien voll groß.
Bleibt die Frage: Wer ist „Luksan“?
Sandro: Ursprünglich hat unsere Produktionsfirma „WunderTütenFabrik“ geheißen. Aber als wir dann diese „Korrekte“-Aussprache-Reihe gemacht haben auf Youtube, war uns klar, wenn da „WunderTütenFabrik“ steht, wird sofort klar, dass das ein Satireding ist. Das wollten wir aber nicht so offensichtlich haben. Also haben wir uns etwas überlegt, das wie ein Name klingt, und da sind wir auf „Luksan Wunder“ gekommen. Das „Luk“ von Lukas – der ist allerdings nicht mehr dabei –, das „san“ von Sandro und das „Wunder“ von der „Wundertütenfabrik“. Später hätten wir lieber wieder „Wundertütenfabrik“ geheißen, aber dummerweise ist dieser Youtube-Kanal so schnell unter dem neuen Namen bekannt geworden, dass es dann zu spät zum Umbenennen war. Jetzt müssen wir halt mit „Luksan Wunder“ fahren.
Für den Wien-Termin im Stadtsaal am 30. Mai (Beginn: 19.30 Uhr) gibt es noch Karten unter https://stadtsaal.com/kuenstler/luksan-wunder