Single Mom Supper Club – Jacinta Nandi ** So darf eine Mutter sein

Single Mom Supper Club (c) Lee Everett Thieler

Jacinta Nandis Single Mom Supper Club ist ein Roman, der keine Gefangenen macht. Er will nicht gefallen, will nicht höflich sein. Und genau darin liegt seine Kraft. Schon die ersten Kapitel machen klar: Hier wird nicht erzählt, um Sympathien zu wecken, sondern um Tabus zu brechen und Erwartungen zu sprengen. 

Es gibt zwei „Clubs“ von Müttern: die älteren, müden, prekären, aber doch irgendwie geerdeten Frauen. Und die jüngeren, glamourösen, fast außerirdisch wirkenden „Cocaine Moms“. Sie füllen ihre Instagram-Feeds mit Fotos, geben Prosecco-Coachings und führen ganz nebenbei absurde Gespräche. 

Gleich im zweiten Kapitel geht es darum, wie man einen Vaterschaftstest fälschen könnte, indem man Sperma in den Mund eines Babys schmuggelt. Eine Szene, so grotesk, dass sie fast wie ein schlechter Witz klingt, aber gerade dadurch so verstörend und wirksam ist.

Wie ein Trip

Genau darin liegt für mich die Stärke und gleichzeitig das Problem des Romans. Er ist erfrischend, weil er so provokant ist. Autorin Jacinta Nandi hat keine Angst davor, ihre Figuren Dinge sagen und tun zu lassen, die wir in der Realität nie so hören würden. Oder vielleicht doch, wer weiß? 

Aber sie entzieht sich dem Anspruch, „realistisch“ oder „biografie-artig“ zu schreiben. Stattdessen überdreht sie, macht alles ein bisschen zu viel, zu absurd, zu grell. Für mich liest sich das fast wie ein Trip. Alles ist schnell, bissig, schockierend, ohne Atempausen. Das ist spannend, aber auch anstrengend.

Jacinta Nandi und ihr Roman „Single Mom Supper Club“. (c) Lee Everett Thieler/Daria Mushtaieva 🇺🇦_Unsplash

Die eigene Moral kurz mal vergessen

Was man dabei nicht vergessen darf: Die eigentliche Zielscheibe ist nicht die einzelne Mutter, sondern das Bild, das wir von Müttern haben und die Erwartungen, die die Gesellschaft an sie stellt. Nandi zeigt Frauen, die trinken, koksen, unverschämt Sex haben, ihre Kinder manchmal verachten, und trotzdem lieben. Sie zeigt Frauen, die widersprüchlich sind, die nicht „ihre Sachen im Griff“ haben, die nicht immer Vorbilder sind. 

Und gerade dadurch entlarvt sie, wie eng das Korsett ist, in das Mutterschaft gezwängt wird. Für Moralapostel ist dieses Buch nichts, wenn man mit der Haltung liest, „so darf eine Mutter nicht sein“. Dann wird man sich nur aufregen und gar nicht mehr sehen, worum es geht. Man muss die eigene Moral für ein paar Stunden ablegen und das Buch mit einer “leeren Leinwand“ lesen.

Wovon ich mir mehr gewünscht hätte

Natürlich, und das bleibt für mich ein Punkt der Kritik, bleiben viele der Figuren sehr schematisch. Über Tamara oder Kayla erfährt man einiges, man kann sich an ihnen festhalten. Aber andere bleiben blass, bestehen nur aus Fragmenten. Da hätte ich mir manchmal mehr Tiefe gewünscht, um wirklich näher ranzukommen. 

Vielleicht war das auch Absicht. Die Figuren sind nicht dafür da, dass wir uns in sie verlieben oder mit ihnen mitfühlen. Sie sind Zerrspiegel, Archetypen, gesellschaftliche Rollenbilder, die vorgeführt werden. Trotzdem, ein bisschen mehr Fleisch auf den Knochen hätte ich mir in diesem Fall gewünscht.

Mein Fazit

Für mich war es ein gutes Buch. Ein sehr gutes sogar, wenn man sich darauf einlässt. Es ist nicht für jede*n, das ist klar. Wer eine klassische Handlung mit Anfang, Mitte und Ende erwartet oder wer Figuren sucht, mit denen man eine Bindung aufbauen kann, wird hier eher scheitern

Single Mom Supper Club ist ein Buch, das einen zwingt, alles abzulegen, was man über Mütter und Mutterschaft zu wissen glaubt. Es ist wütend, komisch, manchmal grausam, aber auch sehr befreiend. Und vielleicht ist das genau die Botschaft: Dass Mütter Menschen sind, die nicht immer „put together“ sein müssen, sondern genauso widersprüchlich, verletzlich und fehlbar sind wie alle anderen auch.

Jacinta Nandi, Single Mom Supper Club. € 24,00 / 316 Seiten. Rowohlt Verlag, Hamburg 2025.

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