Fledermaustag im MQ Wien ** Hohe Erwartungen & tiefer Fall

Am 5. April 1874 feierte Johann Strauss‘ Operette „Die Fledermaus“ im Theater an der Wien Premiere. Zum diesjährigen Jubiläum fand in Wien ein buntes Programm statt, bei dem sich alles um Fledermäuse drehte. Das Sonderprogramm startete in der Halle E des Museumsquartiers mit Die Fledermaus à la Jansoka. Es folgte eine Biodiversitätsshow und ein anschließender Bat Rave. Auf den ersten Blick eine komische Mischung.

Seit ich mir das Angebot des Strauss Jahres das erste Mal angeschaut habe, bin ich total begeistert vom vielfältigen Angebot. Ich mag es, wenn Kultur niederschwellig dargeboten und für alle zugänglich gemacht wird und genau das war das Versprechen, das ich herausgelesen habe. Meine Erwartungen wurden aber leider nicht erfüllt. 

Die Fledermaus á la Jansoka

Der Fledermaustag startet für mich mit dem Janoska Ensemble, bestehend aus den Brüdern Ondrej, Roman und František Janoska sowie ihrem Schwager Julius Darvas. Sie interpretieren die Melodien aus der berühmten Operette neu. Unterstützt werden sie dabei von der Sopranistin Daniela Fally

Johann Strauss hat zu Lebzeiten ganze Ballsäle mit seiner Tanzmusik gefüllt. Zu seiner Musik ruhig und gesittet auf einem Stuhl zu sitzen und nach jedem Stück brav zu klatschen, fühlt sich irgendwie falsch an. Nicht nur mir scheint es so zu gehen: Um mich herum beginnen Besucher*innen auf ihren Stühlen zu wippen und man merkt ihr Bedürfnis, sich zur Musik zu bewegen. Die Energie und Freude der Janoskas ist deutlich zu spüren und überträgt sich auf das Publikum. Auch Fally begeistert stimmlich, ihr Spiel nehme ich ihr jedoch nicht ganz ab. Es fehlt die Leichtigkeit und wirkt auf mich etwas zu gewollt komisch. Insgesamt ist es aber ein schöner Programmpunkt und auch die Dauer von einer Stunde ist angenehm. 

Janoskas, Daniela Fally (c) Martina Draper

Geschöpfe der Nacht: Biodiversitätsshow

Als nächstes steht eine Biodiversitätsshow am Programm. Auf die habe ich mich im Vorhinein ganz besonders gefreut. Angekündigt war das ganze als “Reise durch die Lebenswelt der Fledermäuse, die in “einer spektakulären multimedialen Bühnenshow” von DJ und Biodiversität-Botschafter Dominik Eulberg dargeboten wird. Untermalt von Techno-Beats sollte die Schönheit der Natur im Rahmen einer Club-Nacht aufgezeigt werden.  

In der kurzen Pause zwischen den beiden Programmpunkten strömen junge hip aussehende Personen ins Gebäude. Der Altersschnitt ist auf einmal drastisch gesunken, das Interesse scheint enorm zu sein – bis ich merke, dass ich vor der falschen Tür stehe. Also wieder zurück zu Halle E, die nur sehr spärlich gefüllt ist. 

Eulberg, den ich durch seine schwarze Kleidung und das fehlende Bühnenlicht zuerst gar nicht als Künstler erkenne, startet sehr abrupt. Er beginnt zu sprechen und ich denke mir erstmal „ok, what?„. Er spricht wie ein Wissenschaftler und erklärt mit einer Vielzahl an Fachbegriffen, wie sich der Abend gestalten wird. Eine Show sollte meiner Meinung nach ja ohne große Erklärungen auskommen, aber ich versuche mich darauf einzulassen – was mir leider nicht gelingt. Eine der wohl wichtigsten Regeln im Theater ist es, das Publikum nie gegen sich aufzubringen. Genau das macht Eulberg. Er stellt Fragen an die Zuschauer:innen (ich bin überrascht, dass tatsächlich Leute reagieren) und wenn diese nicht korrekt beantwortet werden, reagiert er völlig von oben herab. Wie mein Sitznachbar es sehr treffend formuliert: „Was ist mit ihm??“ 

Biodiversitätsshow (c) Martina Draper

Anstatt der versprochenen „spektakulären Bühnenshow“ fühle ich mich, als wäre ich in einer Uni-Vorlesung gelandet. Auch zu spät kommende Personen – offenbar war nicht nur ich verwirrt, wo der Eingang ist – wirken sehr verwundert darüber. Nachdem Eulberg kurz allgemein über Biodiversität gesprochen hat, stellt er verschiedene Insekten und Vögel vor. Die gezeigten Bilder und Videos haben zwar eine gewisse Faszination, ein Zusammenhang ist für mich allerdings nicht ersichtlich. Das Schlagwort der Biodiversität schwebt über allem, dennoch wirkt es mehr wie eine Aufzählung unterschiedlicher Arten, als eine durchdachte Show.
Apropos Show: Eulberg stellt seine Musik Alben vor und spielt eigene Tracks zu Natur- und Tieraufnahmen. So richtig Techno ist das Ganze allerdings nicht. 

Ich finde das Konzept der Veranstaltung ja eigentlich super. Wissensvermittlung verbunden mit Club-Feeling? I’m in. Bei dieser Veranstaltung war davon aber leider nichts zu spüren. Nach zwei Stunden, die sich wie eine Ewigkeit anfühlen, hat Eulberg fünf Tracks gespielt, wobei er über einen davon durchgehend gesprochen hat. Außerdem verwendet er viel zu viele “big words”, um niederschwellig zu sein, redet schnell und teilweise undeutlich. Es wurden so viele Inhalte in den Zeitraum gepresst, dass nichts davon hängen bleibt. Um hier nochmals meinen Sitznachbarn zu zitieren: „Heast chill bro!

Lichtshow & Bat-Rave

Ich verlasse die Veranstaltung sehr ernüchtert. Aber es ist keine Zeit zu verlieren, denn der nächste Programmpunkt steht bevor: eine Lichtshow im MQ Haupthof. Einige Personen haben sich schon im Freien versammelt und warten in der Kälte darauf, dass es losgeht. Die Projektion wird gestartet, ein Metronom scheint auf der Fassade zu ticken, die Spannung steigt – und plötzlich wird das Ganze abgebrochen. Ich vermute einen technischen Fehler, doch es stellt sich heraus, dass wir noch auf die restlichen Besucher:innen der Biodiversitätsshow warten müssen. Eulberg hat sich wie bereits zu Beginn seiner “Show” angekündigt nicht an die vorgegebene Zeit gehalten und überzogen. Dennoch ist die Lichtinstallation definitiv das Highlight des Abends. Es tanzen Figuren zu Strauss’ Melodien über die Fassade des MQs und erzählen seine Biografie. Gestaltet wurde das Ganze von den Projektionskünstlern von MODULUX.

Wieder etwas positiver gestimmt, mache ich mich auf zum finalen Event, dem Bat Rave. Diesmal geht es über den Bühneneingang zurück in die Halle E, wo Bühnennebel und flackernde Lichter für Club-Atmosphäre sorgen. Vor der minimalistischen Bar hat sich schon eine lange Schlange gebildet und einige Personen bewegen sich auf der Tanzfläche zur Musik. Die Stimmung wirkt gut, ich bin allerdings müde und ausgefroren vom Warten auf die Lichtshow, also mache ich mich bald auf den Heimweg – ohne auch nur eine einzige Fledermaus gesehen zu haben. 

BatRave (c) Martina Draper

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