Warum ausgerechnet ich als Österreicherin das bekannteste Musical über Österreich nicht kenne – und was bei der Aufführung in der Volksoper schief, aber auch richtig gut gelaufen ist.
Als ich neulich eine Freundin aus Amerika fragte, ob sie „The Sound of Music” kennt, schaute sie mich an, als hätte ich sie gefragt, ob sie schon einmal von Wasser gehört hat. Klar kennt sie das! Aber ich? Null Ahnung. Wie sich herausgestellt hat, ist das typisch österreichisch! Es ist schon ironisch, dass ausgerechnet wir Österreicher*innen das Musical über unsere eigene Geschichte nicht kennen.

Von der Nonne zur Flucht vor den Nazis
Worum geht’s?
Die junge Maria ist auf dem besten Weg, Nonne zu werden. Als sie als Erzieherin in das Haus des verwitweten Barons von Trapp kommt, verändert sich nicht nur ihr Leben, sondern auch das des Barons und seiner sieben Kinder.
Das Musical spielt kurz vor und während der NS-Zeit. Ehrlich gesagt war ich völlig unvorbereitet auf den Moment, als plötzlich Nazis in den Saal der Volksoper stürmten. Das war richtig unheimlich! Sie rannten an uns im Publikum vorbei, standen im Raum und „bewachten” uns. Nach dem letzten Auftritt der Familie Trapp durchleuchteten sie sogar das Publikum, um die geflohene Familie zu suchen. Das war sehr intensiv und hat definitiv für Gänsehaut gesorgt.
Ein Musical mit Broadway-Pedigree
Was viele nicht wissen: „The Sound of Music” war die letzte Zusammenarbeit zwischen Richard Rodgers und Oscar Hammerstein II. Das Duo, das auch „Oklahoma!” und „The King and I” schuf. Die Broadway-Premiere fand am 16. November 1959 im Lunt-Fontanne Theatre statt. Mit 1.443 Aufführungen war das Musical ein riesiger Erfolg. Noch erfolgreicher wurde dann 1965 der Film mit Julie Andrews, den eigentlich jeder kennt. Außer mir. Bis jetzt.
Ein interessanter Fakt am Rande: „Edelweiss”, das Lied aus dem Musical, war tatsächlich das letzte Lied, das Rodgers und Hammerstein gemeinsam geschrieben haben. Hammerstein war bereits schwer krank, als er den Text dafür schrieb.
Wenn aus Erziehung plötzlich Liebe wird
Hier muss ich ehrlich sein: Der Übergang von „Maria unterrichtet die Kinder” zu „Maria und der Baron sind verliebt” ging mir viel zu schnell. Kurz vor der Pause hieß es plötzlich, dass sie sich lieben, und zack, Pause. Ich saß da und dachte: „Moment mal, wann ist das denn passiert?” Vielleicht war ich zu sehr von den wirklich schönen Liedern abgelenkt, aber diese Entwicklung hätte ruhig etwas ausführlicher sein können.

Die Volksoper macht’s richtig
Seit 2005 begeistert die Geschichte von Familienbande und Courage in schweren Zeiten auch das Publikum der Volksoper. Das ist nicht zu übersehen: Die Inszenierung ist durchaus gelungen, die Darsteller*Innen singen wunderbar und die Kinderchöre sind einfach herzerwärmend. Besonders beim gemeinsamen Singen von „Edelweiss” am Ende ist wirklich kein Auge trocken geblieben.
Es ist der Volksoper gelungen, aus diesem sehr amerikanischen Musical etwas zu machen, das auch für das österreichische Publikum funktioniert. Kein Wunder, dass die Produktion von September 2024 bis Juni 2025 läuft – die Nachfrage ist offensichtlich vorhanden.
Mein Fazit: Besser spät als nie
Auch wenn ich als Österreicherin erschreckend spät zu diesem Musical gefunden habe, bin ich froh, es endlich gesehen zu haben. Zugegeben, die Liebesgeschichte hätte dramaturgisch besser aufgebaut sein können und die Nazi-Szenen sind wirklich intensiv. Aber die Musik ist fantastisch, die Geschichte berührend und die Aufführung in der Volksoper definitiv sehenswert. Jetzt muss ich unbedingt auch den Film schauen, denn das gehört wohl zur kulturellen Grundausstattung.
Mein Tipp für Euch: Geht hin! Es wird höchste Zeit, dass wir unser eigenes Musical endlich kennenlernen. Auch wenn wir die Geschichte eigentlich schon kennen müssten – schließlich geht es um uns.
„The Sound of Music“ läuft noch bis 19. Juni 2025 in der Volksoper Wien. Tickets gibt es an der Tageskassa oder online. Empfohlen ab 6 Jahren – aber Achtung bei den Nazi-Szenen mit kleineren Kindern.
