Worüber man lacht, wenn es nichts zu lachen gibt ** Kapitalismus, Revolution & Humor: Ein Probenbericht

Es ist keine Lesung, aber auch keine Theater-Aufführung wie man sie erwartet: „PLAY! Wurmitzer“ am Wortwiege Festival Wiener Neustadt.

📍 Wir verlosen 1×2 Karten für „PLAY! Wurmitzer“ am 15.03.2025 um 15:30! Mehr Infos zum Gewinnspiel gibt’s hier. Viel Glück!

Wie bringt man Menschen zum Lachen, obwohl es um ernste Themen geht? Wie inszeniert man einen Roman so abstrakt wie möglich und bleibt gleichzeitig verständlich? In den historischen Räumen der Kasematten Wiener Neustadt wird das Absurde Theater mit Literatur vermischt und gleichzeitig Theater neu gedacht. 

Theater und Literatur sind nicht so verstaubt, wie man denkt. 

Gemeinsam mit dem Ensemble inszeniert Ira Süssenbach das Theaterstück „Worüber man lacht, wenn es nichts zu lachen gibt“ von Mario Wurmitzer. Entgegen dem, was man von Regie erwartet, ist es ein lustiger, gemeinsamer Prozess. Ida GoldaEtienne HalsdorfHubsi Kramar und Jamie Petutschnig fühlen ihre Buch-Charaktere bis in die letzte Faser ihres Körpers, während Ira Süssenbach einen Überblick über das Stück behält. Und sie wissen genau, was hinter dem Text steckt. 

Knister*Wissen: Das absurde Theater (oder Theater des Absurden) ist eine Strömung des 20. Jahrhunderts, die die Sinnfreiheit der Welt und den orientierungslosen Menschen darstellt.

Was fühlt die Figur? Welche Bewegung macht am meisten Sinn? Was würde der Charakter in dieser Situation tun – Nähe oder Distanz wählen? Notenständer oder nicht? Vom Brainstorming bis zur finalen Entscheidung durch die Regie wird die literarische Vorlage im Detail auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt. 

Ida Golda, Etienne Halsdorf, Jamie Petutschnig, Hubsi Kramar (c) Manon Soukup

Kunst ist politisch – aber mit Humor.

In Zeiten von Krieg, Konflikt und wirtschaftlicher Unsicherheit stellt sich immer die Frage nach dem Warum. Warum ein Buch von Mario Wurmitzer? Warum über Daniil Charms? Gerade wenn auch nur irgendwas mit Russland zu tun hat, ist es aktuell heikel. Die Kunst und Kultur positioniert sich entweder ganz konkret, oder macht einen weiten Bogen um das Thema. Im Falle des Wortwiege Festivals und der theatralen Lesung von Ira Süssenbach ist schnell klar: Die Geschichte ist wichtig – das absurde noch mehr. 

Worum geht’s? 
Szenische Lesung von Mario Wurmitzer’s „Worüber man lacht, wenn es nichts zu lachen gibt“
Was wäre, wenn Daniil Charms, Pionier des Daniil Charms, Pionier des Absurden, Dichter und Dissident im stalinistischen Russland, in unserer Gegenwart des digitalen Kapitalismus landen würde? Wurmitzers schwarze Komödie ist eine Verbeugung vor dem russischen Avantgardisten, dessen Werk oft mit Kafka, Ionesco oder Beckett verglichen wird. 

Daniil Charms hat sich seinerzeit gegen das Regime aufgelehnt. Er hat Kinderbücher und Romane verfasst, die so absurd waren, dass die Politik die Rebellion nicht erkannt hat – und ist so mit seiner Kritik durchgekommen. Jedenfalls bis er in einem Gefangenenlager verhungert ist, weil die Essensrationen für den 2-Meter-Mann zu wenig waren. 

„Jeder Anflug von Außergewöhnlichkeit erhöht die Gefahr, in eine Heilanstalt verfrachtet zu werden und den Hungertod zu sterben.“ – Daniil Charms in „Worüber man lacht, wenn es nichts zu lachen gibt“

Auch Ira Süssenbach stammt aus Russland, ist jedoch vor der extremen Politik geflohen und ist ganz offiziell Österreicherin. Für sie ist Kunst immer politisch. Und das absurde Theater der perfekte Weg, das politische und kritische gut zu vermitteln. 

Wer war Daniil Charms?
1905-1942 in Leningrad/St. Petersburg
Schriftsteller der absurden Tradition, verfasste Lyrik, Prosa, Theaterstücke
Sein Werk wurde vom Regime verboten, weshalb er als Kinderbuchautor tätig war. Er hat die absurde Tradition als Mittel gegen die Zensur verwendet, denn Zensoren konnten die Kritik und den Humor dahinter nicht verstehen.

Etienne Halsdorf, Hubsi Kramar (c) Manon Soukup

Mal was anderes – und viel zum Lachen.

Die vier Schauspieler*Innen spielen in Alltagskleidung – sie sind wir. Sie zeigen unseren absurden Alltag, von der Wohnungssuche bis zum Wunsch, viel Geld zu verdienen. Die Bühne bietet ihnen nicht viel: Ein paar schwarze Säulen, ein Zelt, Fitnessbälle, farbig beleuchteter Hintergrund und der Text in der Hand.

Es ist eine Lesung, wie sie Spaß macht. Das Spiel mit dem Text, das Schauspiel des Ensembles, das sehr reduzierte Bühnenbild sorgt dafür, dass man alles andere im Kopfkino sieht. Als Zuschauer*In versinkt man in der Handlung. Man lacht, man wundert sich, man beginnt, nachzudenken… und während man den Auftritt einfach genießt, beginnt man plötzlich, über die gezeigten Themen nachzudenken. Denn wie absurd ist eigentlich unser Leben? Das absurde Theater fasst es perfekt zusammen.

PLAY! Wurmitzer @ Wortwiege Festival Wiener Neustadt
Theatrale Lesung mit Ida Golda, Etienne Halsdorf, Hubsi Kramar und Jamie Petutschnig, Regie: Ira Süssenbach – Salon danach mit dem Autor, Mario Wurmitzer
14.03., 19:30 / 15.03., 15:30
Mehr Informationen gibt’s hier.

Ira Süssenbach, Ida Golda, Etienne Halsdorf, Jamie Petutschnig, Hubsi Kramar (c) Manon Soukup

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