Volksvernichtung, oder: Meine Leber ist sinnlos – Akademietheater ** Alle gegen alle.

Den brutalen Alltag in zwei österreichischen Familien kann man sich aus der Vogelperspektive anschauen. Am Ende bringt die Vermieterin alle um – aber eigentlich doch nicht.

Werner Schwabs Stück “Volksvernichtung oder meine Leber ist sinnlos” aus 1991 nennt sich eine Radikalkomödie. Das Radikale ist sein Inhalt und seine Sprache, die einen zwar zum Lachen bringen, aber auch den Hals zusammenschnüren. Die Inszenierung von Fritzi Wartenberg im Akademietheater schafft es, diese Gratwanderung entsprechend umzusetzen.

Worum geht’s?
Die Familien Wurm und Kovacic verbringen einen Alltag in ihren jeweiligen Wohnungen. Dieser Alltag besteht in beiden Familien aus wüsten Beschimpfungen und körperlichen Übergriffen. Die Vermieterin Frau Grollfeuer entscheidet sich dazu, sie zu ihrer Geburtstagsfeier in ihre Wohnung einzuladen. Bei dem Fest beleidigt sie ihre Gäste und stiftet Konflikte zwischen den Hausparteien, um sie dann zu vergiften. Oder hat sie sich das nur so vorgestellt? Denn am Ende stehen alle wieder da und sind so höflich wie nie zuvor…

Von oben herab schauen

Die Bühne von Jessica Rockstroh ist gelungen. Jede Wohnung wird aus der Vogelperspektive gezeigt, alles spielt sich in der Vertikalen ab. Sofa, Bügelbrett, sowie Sessel und Kücheneinrichtung sieht man von oben. Wie ein Bild stehen die Wohnungen auf der Bühne, und die Schauspieler*innen müssen sich sportlich über die Einrichtungsgegenstände hangeln. Dadurch ist der Radius und die Bewegungsmöglichkeit der Schauspieler*innen eingeschränkt und angespannt – und genau das passt zu den festgefahrenen und schwierigen Figuren Schwabs. Dadurch kommen auch einige Gags zur Geltung, da hier natürlich mit Requisiten und überzogenen Bewegungen gespielt wird. Ein leichter Slapstick kombiniert sich mit brutalen Aussagen.

Volksvernichtung oder meine Leber ist sinnlos: Voller Körpereinsatz ist gefragt. (c) Tommy Hetzel

Die Hausgemeinschaft ist belastet

Der schwere Inhalt des Stücks, von dem übergriffigen Familienvater Kovacic (Sebastian Wendelin), der verbal grausamen Frau Wurm (Maresi Riegner) hin zu der überheblichen Frau Grollfeuer (Franziska Hackl), kommt in dieser Inszenierung gut zum Zug. Das Bewegen auf der vertikalen Ebene erschwert das Spielen miteinander und macht gleichzeitig offensichtlich, wie schwer es für die Figuren ist, ihre Position zu verändern. Alle der gezeigten Familien sind vorbelastet von ihrer eigenen Geschichte und belasten sich auch gegenseitig mit neuen Problemen.

Alles wird als Kampf wahrgenommen und jemand muss diesen Kampf gewinnen. Dies scheint Frau Grollfeuer zu gelingen, als sie ihre Mieter*innen beim Essen vergiftet. Ihr darauffolgender Monolog ist textlich bereits schwierig und ist in seiner Schwab’schen Sprache sehr dicht. Nach bereits 1,5 Std bleibt es auch hier schwierig, sich noch zu konzentrieren. Und am Ende ist doch alles unbedeutend, was zuvor geschehen ist.

Das Leben in der Vertikalen. (c) Tommy Hetzel

Was bleibt am Ende?

Denn plötzlich sind alle wieder lebendig und höflich miteinander. Eine Situation, die bis dahin nie gegeben war. Zusammenhalt in der Hausgemeinschaft wird gepredigt. Plötzlich erfreut man sich an den anderen Parteien. Dieses Ende hat mich immer schon irritiert.

Dieses verbal brutale Schauspiel ist nicht für alle etwas. Schwabs Sprache ist nicht das einfachste und seine Figuren sind das Gegenteil von leichter Kost. Wer zum ersten Mal mit dem Text hier konfrontiert wird, hat es sicher nicht leicht, vor allem mit der Figur der Frau Grollfeuer. Die Leistung der Darsteller*innen war toll, sowohl körperlich im Klettern als auch auf den verschiedenen Seiten der Figuren, die sich zwischen Unterhaltung und Gewalt bewegen.

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