Der Tiroler Kabarettist bringt mit seinem neuen Solo „Das Orakel von Selfie“ die antike griechische Mythologie gekonnt ins Heute.
„Singe den Zorn, o Göttin, des Peleiaden Achilleus“, heißt es in der ersten Zeile von Homers Ilias. Nun singt hiert keine antike Göttin, sondern ein Kabarettist um die vierzig. Und er singt nicht, sondern er schimpft wie ein Rohrspatz, wenn er als Achill auf die Bühne des Kabarett Niedermair tritt. Eine Runde Hass für alle vom „King of Hate“, wie Xaver Schumacher jene Figur in seinem neuen Soloprogramm „Das Orakel von Selfie“ nennt. Die ist ihm sichtlich am meisten ans Herz gewachsen bei seiner Recherche zur griechischen Mythologie der Antike.
Kleopatra und das iPhone
Und die war lang, sehr lang sogar. Also die Recherche. Aber auch die Antike. Denn allein zwischen dem Trojanischen Krieg (der heute auf irgendwann im 13. oder 12. Jahrhundert v. Chr. datiert wird) und dem Beginn des Hellenismus (323 v. Chr. bis 32 v. Chr.) lagen fast tausend Jahre – also so viel, wie uns vom Frühmittelalter trennt. So gesehen ist es etwas kurz gegriffen, wenn man „die alten Griechen“ alle in einen Topf wirft. William Shakespeare war schließlich auch kein Zeitgenosse von Elfriede Jelinek.
“Kleopatra war näher an der Erfindung des iPhones als am Bau der Pyramiden!” – Xaver Schumacher
Und hättest du gewusst, dass Medusa die Begründerin der Metoo-Bewegung war und Ödipus eigentlich den von Zeus provozierten Klimawandel hätte aufhalten sollen, der uns heute so große Sorgen bereitet? Das hat Xaver Schumacher bei seiner akribischen Recherche herausgefunden. Ja, hätte der gute Ödipus mal seine Prophezeiung richtig gelesen, oder besser: Hätte er seinen Obolus bezahlt in der Orakel-App des Apoll. Womit wir wieder beim Titel des Programms angelangt sind, das nur vordergründig eine satirische Lehrstunde in antiker Mythologie ist. Zwischen den Zeilen blitzt ganz viel moderne Gesellschaftskritik durch, wenn er etwa der Sklaverei unsere heutige Ausbeutungswirtschaft (Stichwort: Lieferando) gegenüberstellt.
Als Zugabe eine Runde Hass auf Zuruf
Das Ganze ist so jugendfrei umgesetzt, dass man es eigentlich auch für einen Lehrausgang empfehlen könnte. Und das ist eine Leistung, wenn man bedenkt, wie brutal und sexbetont die diversen Göttersagen sind. Das dauert mit 60 Minuten auch nur geringfügig länger als eine Schulstunde. Es gibt nämlich keine Pause, dafür aber mit Glück eine Zugabe mit nochmal einer Runde Hass auf Zuruf vom „King of Hate“. Der war übrigens als Einziger unter den griechischen Troja-Helden kein König.
Nun, Achill war ja auch der einzige Halbgott im griechischen Lager, dem auf trojanischer Seite mit Aeneas auch bloß ein Halbgott gegenüberstand. Aeneas sollte übrigens nach dem Fall Trojas noch eine sehr wichtige Rolle für den Gründungsmythos einer anderen antiken Hochkultur spielen. Aber das ist eine andere Geschichte, die Xaver Schumacher hier nicht erzählt. Wer weiß, vielleicht widmet er ihm ja sein nächstes Programm?
Bezüge zu unserer heutigen Gesellschaft findet man schließlich auch bei den Römern zur Genüge. Und Xaver Schumacher könnte ich noch viel länger als 60 Minuten beim Schwadronieren über die antiken Gött*innen zuhören . . .
Xaver Schumacher kommt aus Tirol – und das hört man auch. Sein sympathischer Dialekt kommt vor allem dann durch, wenn er sich in Rage redet, etwa als Achill in „Das Orakel von Selfie“. Mit diesen Programm tourt er gerade durch Österreich (Termine gibt es hier), nachdem er in „Ischgl“ die Corona-Pandemie auf seine ganz eigene Weise aufgearbeitet hat und in „Überfall“ von zwei Securities niedergeschlagen wurde.
