Der Beginn einer Lebensaufgabe

Titelbild: Kommentar in goldener Schrift auf grauem Hintergrund

„Ich will die klassische Kultur zugänglich machen. Ich will, dass jede/r, unabhängig von der Herkunft, dem Bildungsgrad oder dem eigenen Umfeld die Chance bekommt, diese andere, fantastische Welt zu verstehen und erkunden zu können. Ich will, dass die elitäre Bubble, die sich in den letzten Jahrzehnten gebildet hat, platzt!“

Eigentlich war ich immer schon ein Fan von OperOper "Das gesungene Drama", kommt von "opus", übersetzt "Werk". Beschreibt ein Gesamtkunstwerk aus Wort, Ton, Geste, Raum und Licht.. Gebäude, die schön und prunkvoll sind. Bühnen, die so groß sind, dass man als ZuschauerIn nur ein Drittel davon sieht. Sängerinnen und Sänger, die lauter singen können als ich je schreien könnte – und das ohne selbst nach drei Stunden heiser zu werden. Aber was steckt dahinter?

KünstlerInnen sind eine eigene Spezies. Wer sie nicht kennt, würde sie als exzentrisch, verrückt oder einfach als komisch bezeichnen.

Beginnen wir am Anfang!

Das erste Mal war ich als kleines Mädchen in der Oper. So klein, dass ich mich nicht einmal mehr daran erinnern kann. Aber um ehrlich zu sein, ist dieser erste Besuch auch nicht so relevant für diese Geschichte. Denn ich fand das, was hinter der Bühne passiert immer um einiges interessanter. Von klein auf war ich umgeben von Künstlerinnen und Künstlern, von Theater- und Kulturmenschen. Bei uns zu Hause war immer was los und dementsprechend wurde es auch nie langweilig, trotz meines Einzelkind-Daseins.

Eines habe ich schnell gelernt: KünstlerInnen sind eine eigene Spezies. Wer sie nicht kennt, würde sie als exzentrisch, verrückt oder einfach als komisch bezeichnen. Denn Kunstschaffende denken immer „anders“ und „out of the box“. Ihnen fallen die kreativsten und unvorstellbarsten Lösungen für jedes Problem ein. Sie können die fröhlichsten Menschen auf der Welt sein und am selben Tag eine traurige, fast melancholische Stimmung verfallen.

Nicht ohne mein Team!

Würde die Oper – oder generell die Kultur – nur aus Scheinwerfer-Liebenden KünstlerInnen bestehen, würde nichts weitergehen. Es gäbe einen wundervollen und endlosen kreativen Schaffensprozess, der nie fertig wäre und Aufführungen, die irgendwie nicht ganz durchdacht wären. Natürlich gibt es Ausnahmen. Jene Multitalente, die singen, spielen, planen, designen, verhandeln und programmieren können und sich so ganz nebenbei um alles Finanzielle kümmern. Das sind aber die wenigsten.

Aber wie in anderen Betrieben braucht es auch in der Oper und der Kultur ein Team, das sich um Organisatorisches kümmert. Da gibt es von der Buchhaltung, der Finanz- und der Rechtsabteilung bis hin zur Pressestelle und dem Archiv einige Abteilungen, die dazu beitragen, dass alles reibungslos abläuft. Parallel arbeiten unvorstellbar viele Personen hinter der Bühne, die sich dem künstlerischen Aspekt widmen, wie unter anderem Licht- und Tontechnik, Bühnenbild, Kostüm, Maske.

Die Kultur als Mikrouniversum

Die Kultur ist wie eine andere Welt, ein Mikrouniversum innerhalb unserer Gesellschaft. Sie hat ein spannendes Eigenleben entwickelt und besitzt ihre eigenen Strukturen, Abläufe und Regeln. Ähnlich wie auch zum Beispiel in der Wirtschaft, der Medizin oder Jus. Doch während man, um z.B. in die Wirtschaft einzusteigen, „einfach“ BWL und Co. studieren kann, ist es bei der Kultur komplizierter. Wer nicht in irgendeiner Weise mit Musik, Theater, Musical oder Oper zu tun hat, weiß oft nicht, ob er/sie ein Talent oder überhaupt Interessen in diesem Bereich hat.

Insider und Außenseiter

Kommt man aus einer Theater-Familie wie ich, wird man sehr früh mit allen möglichen Chancen konfrontiert. Ich habe getanzt und Schauspiel- und Gesangsunterricht genommen. Es hat alles Spaß gemacht – aber nirgends war meine Leidenschaft so groß, dass ich es als berufliche Laufbahn gewählt hätte. Also habe ich angefangen im Kulturbereich zu arbeiten. Gefühlt unendlich viele Praktika und Assistenz-Positionen in der Kostüm- und Maskenabteilung, in der Regie, der Dramaturgie und letztendlich auch in der Presse haben mir, zusätzlich zu meinem Vorwissen, einen guten Überblick über die teils sehr verwirrende Welt der Kultur gegeben.

Die Kultur ist wie eine andere Welt, ein Mikrouniversum innerhalb unserer Gesellschaft.

Gleichzeitig war ich die einzige in meiner Schule und in meinem Freundeskreis, die sich für klassische Musik interessiert hat. Auch wenn das Theater der Jugend und die Popkultur ihren Teil geleistet hat, um Sprechtheater und Musical ein bisschen „moderner“ zu machen: Die Oper und die klassische Musik galten immer als langweilig und verstaubt. Im Musikunterricht wurde nur gesungen und Film geschaut, denn „was gibt es denn schon zu lernen“?

Hör auf das Knistern!

Ich habe in den letzten Jahren vieles gelernt, aber zwei Dinge haben sich immer wieder bewahrheitet. Erstens: Die Welt der Klassik ist zu einer unverständlichen und unerreichbaren Blase mutiert, die nur schwer Neuzugänge zulässt. Zweitens: Egal wie oft die Klassik-Branche gesagt hat, sie wolle eine neue und jüngere Zielgruppe ansprechen, es wurde nie umgesetzt (to be fair: jetzt beginnen sie wenigstens langsam).

Die Grenze war für mich, als ich mit einer Freundin ein Vormittagskonzert (=Matinee) besucht habe. Der Dramaturg trat vor das Publikum und erklärte, kurz zusammengefasst: „Sie wissen ja schon wie sowas abläuft, das ist das Programm, danke an unsere Sponsoren – viel Spaß“. Ich brauche Euch nicht erklären, dass es problematisch ist, nur das eigene Stammpublikum anzusprechen. Ich brauche Euch auch nicht erzählen, dass so eine Ansprache nicht sehr motivierend für Klassik-Neulinge oder Interessierte ist. Nach dem Konzert setzten wir uns in ein Café und ich habe alle Fragen meiner Freundin beantwortet. Was ist ein Ensemble? Was ist eine Matinee? Warum diese Stücke? Worum ging es in den Stücken? Was ist ein Sopran? Warum muss man den hohen Gesang schön finden? (Anm.: muss man nicht, es ist Geschmacks- und Gewöhnungssache!)

Eine Lebensaufgabe für die Kultur

Die Herkunft, Unwissen oder sogar der Bildungsgrad sollten keine Hindernisse sein, um zum Beispiel in die Oper gehen zu können und auch zu wissen, was dort passiert. Aktuell ist ein Opernbesuch für „Neulinge“ mit vielen Google-Suchen und offenen Fragen verbunden. Von Tipps für günstige Karten bis hin zu Handlungen von Stücken, meistens muss man sich durch mehrere Seiten durchklicken, um einen Überblick zu bekommen. Das ist eine riesige Hürde für alle, die vielleicht nur ausprobieren wollen, ob ihnen die Klassik überhaupt gefällt.

Ich will, dass die elitäre Bubble, die sich in den letzten Jahrzehnten gebildet hat, platzt!

Meine Freundin brachte mich auf die Idee, kulturknistern zu starten. „Nutz doch dein Wissen und erklär den Leuten die Branche so, wie du es mir gerade erklärt hast!“ Und hier sitze ich nun und beantworte Eure Fragen zur Oper und zur klassischen Musik, fasse Opernhandlungen in unter 60 Sekunden zusammen und plane zukünftige Projekte, mit denen ich Euch den Zugang zu dieser komischen Welt erleichtern kann.

kulturknistern braucht EUCH!

kulturknistern wäre nicht möglich ohne all die Menschen, die mich im Hintergrund unterstützen – aber auch nicht ohne Eure Fragen. Deshalb hier auch gleich eine Bitte an Euch: Schreibt mir. Schickt mir Eure Fragen zur Oper, zur klassischen Musik, zur Branche, zu kulturknistern. Schreibt mir, was Ihr wissen wollt, was Euch interessiert, worüber Ihr mehr lesen wollt – und ich werde mein Bestes tun, um alles zu beantworten!

Startseite » Der Beginn einer Lebensaufgabe

Lese-Empfehlung:

Interview: Teresa Vogl, Kulturjournalistin
Farbe, Diversität und Hochkultur?

Die Hochkultur ist oft weder verständlich noch zugänglich, vor allem wenn man noch nie etwas mit dieser Branche zu tun hatte – ein Interview mit Kulturjournalistin Teresa Vogl.