Wie inszeniert man Mozarts “Le nozze di Figaro”? Lotte de Beer im Interview. 

“Le nozze di Figaro” von Volksopern-Intendantin Lotte de Beer verspricht ein spannendes Stück zu werden. Vier Blickwinkel, vier verschiedene Ansätze, die Realität wahrzunehmen. Aber wie inszeniert man einen Klassiker und Publikumsliebling? Und wie bringt man eine Oper in die Jetzt-Zeit, ohne sie in Einzelteile zu zerlegen? 

Am Samstag, den 24. Mai, feiert ein Opern-Klassiker Premiere an der Volksoper Wien: “Le nozze di Figaro” von Wolfgang Amadeus Mozart. Die Ouvertüre (= das erste musikalische Stück in der Oper) zählt zu den wohl bekanntesten Musikstücken aus der Oper, sie wurde 1786 im Wiener Burgtheater uraufgeführt und ist meistens ein absoluter Publikumsliebling.

“Ein adoleszenter junger Mann mit zu viel Hormonen, eine Waschmaschine, rumspringende Penise, eine Hochzeitstorte mit Sahne und eine Essensschlacht.” – Lotte de Beer über ihre Neuinszenierung von “Le nozze di Figaro”

In Proben braucht es viel Fantasie, damit am Ende die Magie zu sehen ist!

Sex, Macht & Me-Too: W.A. Mozarts “Le nozze di Figaro” 

Wie so oft in der Oper, ist auch hier die Aufführungspraxis etwas… naja. Einerseits könnte man sagen, verstaubt. Andererseits zeigt gerade dieses Stück wichtige und aktuelle Themen unserer Gesellschaft auf: Liebe, Sex, Machtverhältnisse und die “Me Too”-Debatte. Ebendiese Themen stehen nun in der neuen Inszenierung von Volksopern-Intendantin Lotte de Beer im Mittelpunkt. 

Wie geht man also ein lustiges Stück an, in dem das eigentlich zentrale Thema ein ungleiches Verhältnis zwischen Macht und Liebe ist? Manchmal kommen Ideen aus unerwarteten Ecken. Deshalb haben wir Lotte de Beer gefragt, wo sie sich diesmal ihre Inspiration geholt hat. 

Worum geht’s?
Figaro (Kammerdiener des Grafen) und Susanna (Kammerzofe der Gräfin) bereiten ihre Hochzeit vor. Der Graf Almaviva ist mit Rosina verheiratet, aber hinter Susanna her. Die Gräfin hilft Figaro und Susanna, ihren Mann auffliegen zu lassen. Der Page Cherubino ist irgendwie in alle Frauen verknallt und in alle Intrigen verwickelt. Währenddessen ist die alte Marcellina in Figaro verliebt und möchte die Hochzeit verhindern – ihr wird durch den Arzt Bartolo geholfen, der Figaro einfach nicht ausstehen kann. Verkleidungen, Missverständnisse, Intrigen – ein Tag voller Späße, am Ende versöhnen sich alle und die Hochzeit von Figaro und Susanna findet statt. 

100.000 schlechte Ideen, dabei ist es doch so einfach: So inszeniert Lotte de Beer.

Die Volksopern-Intendantin im direkten Interview.

Lotte de Beer: Zuerst hat man 100.000 schlechte Ideen. Man versucht die ganze Zeit zu überlegen “Worum geht’s wirklich in dem Stück?”, “Was war denn das Revolutionäre daran?”. Dass es in dieser Oper um Sex und Macht geht, kann niemand verneinen. Aber warum ist das genau jetzt relevant? Und während man versucht, intellektuell mit all diesen Fragen klarzukommen, passiert das Leben.

Bei mir war es eine Dinner-Party, wo viele verschiedene Generationen, Nationalitäten und Identitäten zusammenkamen. Irgendwann wurde über “Me Too” diskutiert. Von “Man muss alles ausverhandeln, bevor man Händchen hält.” bis “Früher war alles besser, da haben alle einfach das gemacht, was sie wollten” war alles dabei. Diese zwei Komponenten, Sex und Macht, haben so viel damit zu tun wo man herkommt, wie alt man ist, welches Geschlecht man hat oder welchen Beruf man ausübt. Alles beeinflusst deine Bubble und den Blickwinkel, aus dem du diese Thematik siehst. Damit wollte ich spielen.

Was steckt hinter „Le nozze di Figaro“? (c) kulturknistern

4 Blickwinkel, buntes Bühnenbild & großes Kino.

Lotte de Beer: Wir beginnen in der “Commedia dell’arte” und switchen in eine 80ies-Sitcom. Ganz klassisch, mit Leucht-Schildern die dem Publikum “Laughter” und “Applause” signalisieren, wenn der Mann der Frau auf den Hintern klopft. Dann sehen wir die Handlung aus dem Blick von Susanna, in einer großen grotesken, brechtianischen Art und Weise. 

Plötzlich switcht es zu einer verzweifelten, fast nihilistischen “Less is More”-Einstellung aus dem Blick der Gräfin. Als Letztes sehen wir eine fluide Community in einem utopischen Vergebungs-Akt aus dem Blick von Marcellina und Barbarina. Es wird bunt, es wird schräg, es wird outrageous und auch ganz ernst – aber gleichzeitig bleibt es die beliebte Komödie und der Klassiker, die die Oper ist, mit ihrer wunderbaren Musik.  

Knister*Wissen
Nihilistisch“ bedeutet „alles verneinend“ oder „alles ablehnend“, insbesondere in Bezug auf Werte, Normen, Überzeugungen oder das Leben überhaupt. Im philosophischen Kontext kann Nihilismus die Auffassung beinhalten, dass es keinen Sinn oder Zweck im Leben gibt und dass die menschliche Existenz letztendlich sinnlos ist. 

Brechtianisch“ beschreibt eine Theater- und Kunstform, die auf Distanzierung, kritische Reflexion und politische Inhalte setzt, um den Zuschauer aktiv zu involvieren und zum Nachdenken anzuregen.

Le nozze di Figaro” in der Inszenierung von Lotte de Beer feiert am Samstag, den 24. Mai 2025 Premiere an der Volksoper Wien – und kommt auch kommende Spielzeit wieder. Wer es also bis Ende Juni 2025 nicht schafft, hat im Frühling 2026 nochmal die Chance, sich selbst ein Bild zu machen. 

Mehr zu Volksopern-Intendantin Lotte de Beer und ihren Plänen für das Opernhaus gibt’s hier!

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