In seinem neuen Solo “Ich hätt gern Flügel” spannt der Grazer Musikkabarettist den Bogen von den alten Griechen bis zur aktuellen Regierungsbildung in Österreich.
Michael Großschädl wurde 1987 in Graz geboren und studierte Darstellende Kunst. Nach fünf Spielzeiten am Rheinischen Landestheater Neuss wechselte er 2016 ans Next Liberty Graz. Ein Jahr später debütierte er als Musikkabarettist mit “Junge, lern doch einfach mal Deutsch!”. Mit seinem neuen Solo “Ich hätt gern Flügel”, das soeben Premiere gefeiert hat, tourt er nun durch Österreich.
Man könnte den Programmtitel von Michael Großschädls neuem Solo “Ich hätt gern Flügel” mit ein bisschen grammatikalischer Nachsicht zweideutig sehen. Nämlich nicht nur als Wunsch, sich hoch in die Lüfte zu erheben und endlich über den Dingen zu schweben, die Mühen der Ebene hinter sich lassend, sondern auch als den Traum von einem größeren Instrument als dem Roland-Keyboard, hinter dem der Grazer etwa die Hälfte des Abends sitzt. Die andere Hälfte der Zeit steht er davor und erzählt seinem Publikum verschiedene Geschichten, die alle eines gemeinsam haben: Sie spielen in der Vergangenheit.

Manches ist sehr lange her, nämlich fast drei Jahrtausende: Die Erfindungen und Erkenntnisse von Sokrates, Pythagoras oder den fiktiven Griechen Ikarus (Stichwort „Flügel“) und Polyphonos (dem vorgeblichen Erfinder der Mehrtönigkeit). Manches ist nicht ganz so lange her, etwa die Begegnung von Wolfgang Amadé Mozart und Ludwig van Beethoven. Diesen beiden schreibt Großschädl eine gemeinsame Komposition zu, nämlich das Singspiel “Die Nasenflöte”, mit dem er in der ganz jungen Vergangenheit landet: bei der aktuellen Regierungsbildung. Und dann gibt es noch die nostalgischen Geschichten aus seiner Kindheit in den 1990ern, als vieles zwar nicht besser, aber einfacher war.
Formel 1 und Zeltfeste
Es sind Sachen zum Lachen, die der Kabarettist da vorspielt: Wie er einst beim dösenden Opa die Formel-1-Rennegeräusche im ORF nachgemacht hat, um derweil heimlich die neuen Serien im Sat-TV schauen zu können. Wie ihn die Sozialen Medien als Künstler stressen. Wie er die fünf Phasen eines Zeltfestes mit den fünf Phasen der Trauer abgleicht. Wie er Schlager- und andere Stars pädagogisch wertvolle Erziehungslieder trällern lässt. Oder wie er von seinen Ausgrabungen im Mozart-Archiv berichtet und draufkommt, dass er einst die falsche Werbung geschaut hat. Es ist aber auch viel Nachdenkliches dabei, gut verpackt in witzige Reime, die er fingerfertig am Klavier begleitet.
Und nach zwei Stunden stellt man fest: Ja, man würde Michael Großschädl seine Flügel gönnen, um den Stolpersteinen des Lebens durch die Luft auszuweichen. Was allerdings den anderen Flügel betrifft, den braucht es eigentlich nicht. Seine Virtuosität kann der Künstler auch am kleineren Roland-Keyboard sehr gut ausleben – und schafft damit auch mehr Nähe, räumlich wie emotional. Und einmal mehr beweist er, dass sein humoristisches Werkzeug nicht der Bruhaha-Vorschlaghammer ist, sondern die feingliedrige Pinzette. Aber auch die kann ganz schön zwicken, wenn man die richtigen Stellen erwischt. Und das tut er damit.