Ein Übungsbuch zum Sterben, zwar ohne Übungen und Versprechen, aber mit persönlicher Geschichte, Reflektion und ganz viel „Großma“.
Mit dem Tod ist das ja so eine Sache. Jeder weiß, dass es uns alle eines Tages betrifft, aber damit beschäftigen wollen wir uns ehrlich gesagt auch nicht. Kann man sich da ein wenig rantasten? Können wir das in irgendeiner Form „üben“? Katharina Feist-Merhaut geht dieser Thematik in ihrem neuen Werk „sterben üben“ nach.
Emotionale Achterbahn
Na gut, aber wie soll das denn funktionieren? Die Autorin hat nach reiflicher Überlegung einen sehr schönen Zugang gefunden. Über mehrere Jahre hinweg begleitete sie ihre Oma (auch Großma genannt) bis zu ihrem letzten Tag auf dieser Erde. Mit täglichen Anrufen und regelmäßigen Besuchen ist sie Teil ihres Alltags geworden und hält alles mit Notizbuch und Aufnahmegerät fest.
“Ich bin nicht wie ich bin. Das kann aber auch sein, weil ich nicht in die Sauna gehe.” – Großma
Die Erzählung lebt von authentischen Aussagen ihrer Großma, die sie mit eigenen Gedanken ergänzt. Von Geschichten über die Leben und Tode anderer Angehörigen, Dialogen der beiden auf Augenhöhe und schönen Zitaten bekannter Autor*innen.
„Ich finde nämlich, dass, um mit dem Tod vertraut zu werden, man wirklich weiter nichts nötig hat, als seine Nähe zu erleben.“ – Michel de Montaigne

Worte, die von der Autorin in die Tat umgesetzt worden sind. Jeder Satz in diesem Buch ist von tiefer Dankbarkeit und Liebe geprägt und lässt einen über die eigenen Beziehungen und Erfahrungen reflektieren.
Ich habe schon bei Seite 12 geheult, da mich das Zitat „Ich hab heute in der Früh ein ziemlich starkes Schmerzmittel genommen, absichtlich. Musste heute ja eine Sachertorte backen.“ eins zu eins an meine Oma erinnert hat. Von genau diesen Erfahrungen lebt das Buch, denn einige Sätze von Großma lassen einen in die eigene Geschichte eintauchen, in die eigene gelebte Beziehung zu unseren Großmüttern.
Ein Buch für alle
„Sterben üben“ ist ein berührendes Miteinander auf Augenhöhe, das den individuellen Prozess, aber auch die Gemeinsamkeiten des Sterbens aufzeigt. Denn auch Großma selbst ist sich nicht ganz im Klaren über das Sterben. Sie wird täglich mit dem Tod von Bekannten konfrontiert. Sie spricht zwar einerseits von der notwendigen Akzeptanz des Lebensendes, andererseits aber dennoch lieber vom „Einschlafen“ als vom „Sterben“ (klingt auch viel sanfter und schöner).
Mit viel Feingefühl, Mitmenschlichkeit und einem Hauch Melancholie wird man an den Prozess des Sterbens näher herangeführt. Wie das Üben genau aussieht, tja – die Antwort hätten wir alle gerne. Durch dieses Buch bekommen wir Ideen, fühlen bei jedem Wort mit und erfahren etwas ganz Essentielles: Wie wichtig ein liebevolles Miteinander ist. Ein Buch für alle, die sich bisher nicht an das Thema getraut haben und/oder tiefe Verbundenheit spüren wollen.


