Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft – Fiona Sironic ** Klimawandel, Dystopie und Female Rage!

Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft (c) Apollonia Theresa Bitzan

Als meine Mutter mich zu meinem 25. Geburtstag anrief, fragte sie mich, was ich mir wünsche. Meine Antwort war ziemlich klar: Ein Messer, ein Bettlaken, eine Jogginghose und „Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft“ von Fiona Sironic

Mein Freund, Raphi, saß neben mir im Auto und sah mich etwas verunsichert an. „Nichts Teureres, Mama. Du weißt, wie schnell Sachen bei mir hin werden“, sagte ich in den Hörer. Meine Mutter lachte und fragte: „Was hast du bitte mit dem armen Raphi vor?“ Erst dann bemerkte ich, wie meine Geburtstagswünsche klangen. Wer das Buch nicht kennt, wäre bei dieser Bestellung wohl auch etwas verunsichert.

Prozess der Zerstörung

Jetzt sitze ich in der geschenkten Jogginghose meiner Mama auf meinem frischen Bettlaken, das Buch neben mir, und schreibe diese Rezension – oder ist das eher ein Lese-Erfahrungsbericht

Na ja, egal. Jedenfalls geht es in Sironics Debütroman nicht um eine Anleitung, wie man seinen Freund los wird, sondern um die fünfzehnjährige Era, die versucht, „dem schleichenden Prozess der Zerstörung etwas entgegenzusetzen“. Indem sie Vogelarten dokumentiert, versucht sie, an der reichen Natur festzuhalten, die es vor dem menschengemachten Klimawandel und dessen gravierenden Folgen gab.

Der Debütroman von Fiona Sironic mit dem langen Titel „Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft“ (c) Apollonia Theresa Bitzan/Ricardo Gomez Angel_Unsplash

Festplatten zertrümmern in der Natur

Die Geschichte von Era, Maja und Merle spielt in einer undatierten Zukunft. Das Zusammenkommen der Mädchen am Samstag, um in den Wald zu gehen und Festplatten oder andere Datensätze in die Luft zu jagen, ist Ausdruck ihrer Verzweiflung über die ständige Dokumentation des eigenen Lebens auf Social Media – und zugleich ein Symbol für weibliche Wut, oder, anders gesagt, female rage

Nicht ohne Grund wurde das Debüt für den Deutschen Buchpreis nominiert. Der Roman behandelt aktuelle, gesellschaftlich relevante Themen. Den Überfluss an Content im Internet und den Trend, jeden Schritt von sich und seinen Kindern auf Social Media zu posten, weibliche Wut, Sexualität oder die erste Jugendliebe. Außerdem zeichnet er ein dystopisches Bild der Zukunft, die durch den menschengemachten Klimawandel verursacht wurde. 

Vom Chaos zum Rhythmus

Der Schreibstil war anfangs gewöhnungsbedürftig – etwas chaotisch, sprunghaft, fragmentiert. Es fehlte zunächst ein richtiger „Flow“, wenn man das so sagen kann. Die Querstriche mitten in den Sätzen waren überraschend. 

Nach den ersten fünfzig Seiten entwickelte sich für mich als Leserin jedoch ein eigener Rhythmus in der Sprache der Autorin. Und schließlich wurde ich nicht nur von der Geschichte, sondern auch von der Sprache mitgenommen. 

“Ich habe ein bisschen Angst, dass mir das Buch wer wegnehmen will, deswegen verstecke ich mich hier. Neben mir unterm Gebüsch steht eine Schüssel, die ich mit Wasser auffülle, ich versuche, das jeden Tag zu machen, und in der Tasche hab ich die Körnermischung, die ich hin und wieder ausschütte, wenn ich irgendwo eine Amsel sehe, jetzt zum Beispiel, als ich neben dem Gebüsch hocke, da kommt noch eine, und BUMM! Der Knall ist klein und nah. Jemand lacht.”

Zusammengefasst: Der Debütroman von Fiona Sironic hat einen genialen Titel, interessanten Schreibstil und ist hochrelevant. Ich empfehle. 

Fiona Sironic, Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft. € 23 / 208 Seiten. Ecco Verlag, Hamburg 2025.

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