Farbe, Diversität und Hochkultur?

Interview: Teresa Vogl, Kulturjournalistin

Ob OperOper "Das gesungene Drama", kommt von "opus", übersetzt "Werk". Beschreibt ein Gesamtkunstwerk aus Wort, Ton, Geste, Raum und Licht., Theater oder Ballett: Die sogenannte „Hochkultur“ ist für die einen etwas Wunderschönes, für die anderen ist sie elitär, verstaubt und langweilig. Während bis heute nicht klar ist, ob die begriffliche Trennung von Hoch- und Populärkultur sinnvoll ist, gibt es eine Sache, die tatsächlich für das Argument einer elitären Hochkultur spricht: Dadurch, dass in den meisten Fällen ein bestimmtes Vorwissen oder eine kulturelle Bildung benötigt wird, ist die Hochkultur oft weder verständlich noch zugänglich, vor allem wenn man noch nie etwas mit dieser Branche zu tun hatte.  

Ich habe mich darüber mit Teresa Vogl unterhalten. Sie ist Kulturjournalistin und Moderatorin beim ORF. In Radio Ö1 moderiert sie die Sendung  „Pasticcio“,  in ORF 2 hat sie ihr eigenes Beitragsformat “Kultur aus der Voglperspektive”, präsentiert die Highlights des Kulturlebens fürs TV wie Übertragungen aus der Wiener Staatsoper oder von den Salzburger Festspielen und hat den letzten Opernball vor der Pandemie moderiert. Wir haben darüber gesprochen, ob der Kulturjournalismus etwas am verstaubten Ruf der Hochkultur ändern kann und ob es die Aufgabe von KulturjournalistInnen ist, die kulturelle Bildung bei den eigenen ZuseherInnen aufzubauen.  

Teresa, was ist eigentlich Kulturjournalismus?  

Kulturjournalismus ist idealerweise das Bindeglied zwischen den Künstlerinnen und Künstlern und dem Publikum. Er soll den Konsum von Kunst und Kultur bereichern und erleichtern und einfach anregend sein, auf neue Dinge stoßen und Debatten aufgreifen. Vor allem ist Kulturjournalismus meine Leidenschaft! Das sind einfach Themen, die mich interessieren, wo ich auch gerne Vermittlungsarbeit leiste.  

Wie ist das mit der Hochkultur: Ist das nur etwas für reine Klassik-Fans und die älteren Generationen? 

Ich weiß nicht, ob es diese reinen klassischen Musik-KonsumentInnen überhaupt noch gibt. Ich habe den Eindruck, das kulturinteressierte Leute generell immer offener für andere Kulturrichtungen werden, aber das ist schon auch eine Sache des Alters. Bei Ö1 ist das Publikum ja zum Beispiel auch sehr gemischt, die klassischen Ö1-HörerInnen hören schon auch mal FM4 und gehen danach in die Oper und/oder in den Jazzclub. 

Meiner Erfahrung nach müssen viele Leute in diese Theater-, Opern- und Konzertwelt erst hineinwachsen. Es gibt schon ein paar, die als Kind schon dahin “geschleppt” werden, wie zum Beispiel auch meine Tochter, also von den Eltern, der Familie oder in der Schule damit konfrontiert werden. In der Pubertät oder im Studium weiß ich nicht, ob es da jetzt so viele in die Opern- und Konzertsäle zieht, aber irgendwann kommen manche dann doch dahin zurück. Daher glaube ich schon, dass das aktuelle Opernpublikum, genauso wie das Fernsehpublikum, tendenziell ein älteres ist.

Ich sehe die Zukunft des Kulturjournalismus viel bunter, diverser und mehr online.
© Foto: Helena Wimmer

Warum hat die Hochkultur den Ruf, elitär und verstaubt zu sein?  

Die klassische Musikszene hat lange von ihrem elitären Image gezehrt und war ganz zufrieden damit. Jetzt wächst natürlich, wo überall so eine riesige Diversität am Markt ist, auch für klassische Medien der Druck: Die Conclusio ist “Wir müssen uns öffnen”. Natürlich ist es auch ein Bewusstseinswandel der Generationen. Aber wenn man die Kulturberichterstattung von früher, vor einigen Jahrzehnten, anschaut, dann ist das alles andere als inklusiv gewesen. Es war ein elitäres Wiederkäuen von bildungsbürgerlichen Standards – und die wollten ganz gern unter sich bleiben, Ausnahmen ausgenommen. 

Die Klassik war aber generell noch nie ein Programm für die Massen, daran hat sich bis heute wenig geändert. Ö1 hat zum Beispiel neun Prozent Marktanteil, und das ist in Europa schon ein riesen Erfolg. Die Klassik war früher einfach zeitgenössische Musik – und das ist ja eigentlich der spannende Faktor. Aber ein richtiges Massenprogramm war das damals auch nicht. Am ehesten kommt wohl die Kirchenmusik oder die Tanzmusik, zum Beispiel von Johann Strauß, an Massenprogramm heran, weil der Zugang ein niederschwelligerer war als die bürgerlichen Konzertsäle, vom Adel ganz zu schweigen. Die Tanzmusik, die war sehr wohl für die breite Masse, das wurde ja dann auch in den ganzen Vorstädten bei Veranstaltungen, Wienerisch „Remasuri“,  gespielt. Da reden wir halt eher von der “leichten” klassischen Musik, im besten Sinne “Unterhaltungs-Klassik”.

Und wie ist das im Kulturjournalismus? Ist der auch so elitär? 

Das Problem im Kulturjournalismus ist halt, dass man ein relativ großes Vorwissen braucht, um da tätig sein zu können. Es ist ein bisschen so wie beim Wissenschafts- oder Sportjournalismus, ich würde mir zum Beispiel nie zutrauen einen Bericht über Sport zu machen, da würde ich total ablosen, einfach weil ich das Vokabular gar nicht kenne – und das ist bei der Kultur ähnlich. 

Ich muss aber schon sagen, ich habe einen absoluten Traumberuf. Ich finde es vor allem wichtig, als Kulturjournalistin auf Augenhöhe über Kunst und Kultur auf eine zugängliche, inklusive Art und Weise zu berichten.

Wäre es nicht die Aufgabe des Kulturjournalismus, auch in seinem Interesse, die kulturelle Bildung in die eigene Hand zu nehmen? Immerhin heißt es ja oft man müsse sich um den Nachwuchs in der Kultur kümmern… 

Eine der Aufgaben von Journalismus ist auch Bildung, ja – aber das Grundproblem liegt hier meiner Meinung nach bereits an den Schulen. Es wird viel zu wenig auf Kunst- und Kulturbildung wert gelegt, dabei muss hier viel früher angesetzt werden. Ja, Journalismus kann auch seinen Beitrag leisten, aber wir können nicht die ganze Musikbildung übernehmen. Man muss schon auf einer Basis aufbauen können, schon deshalb, weil man nicht bei jedem Bericht immer von null anfangen kann. Andererseits darf man auch nicht zu viel voraussetzen: Wenn man immer nur für eine gebildete Elite berichtet, schafft man ein System, wo sich viele Leute ausgeschlossen fühlen. Ich glaube es kommt auch sehr auf die Form der Vermittlung an, ob das inklusiv oder exklusiv gehalten sein soll.

Für mich ist das Stichwort “Schwellenangst abbauen”. Theaterausflüge, Besuche mit der Schulklasse – ich finde da bieten die Theaterhäuser eh schon sehr viel an. Ich glaube einfach, kulturelle Bildung muss wirklich von der Schule forciert werden. Von dort kann man die Leute dann abholen, es darf dann natürlich auch nicht fad sein.
 

Was würdest du dir für den Kulturjournalismus der Zukunft wünschen, was muss sich ändern?  

Prinzipiell denke ich, dass etablierte Medien zu wenig Nischenberichterstattung machen. Es ist irre schwer, Newcomer in Kulturformaten unterzubekommen oder generell mehr für unbekannte KünstlerInnen zu tun. Gleichzeitig ist es sehr schwer daran etwas zu ändern, da der Quotendruck sehr stark ist. Ich hätte in der Zukunft deshalb gerne neue Formate speziell für NachwuchskünstlerInnen.  

Ich sehe die Zukunft des Kulturjournalismus vor allem viel bunter, diverser und: mehr online. Wenn man in Zukunft noch junge Leute erreichen will, dann muss man das zumindest parallel, zum Beispiel zusätzlich online oder auf Social Media machen. Idealerweise gibt es dann auch Beiträge, die man mehrfach verwerten und posten kann. Ich kann mir außerdem vorstellen, dass es gut wäre, wenn Redaktionen diverser wären und mehr durchgemischt werden, wenn es um Herkunft, Bildung und sozialem Background geht, damit der Kulturjournalismus möglichst repräsentativ ist. 


Teresa Vogl ist Kulturjournalistin und Moderatorin beim ORF, in Radio Ö1 moderiert sie die Sendung  „Pasticcio“,  in ORF 2 hat sie ihr eigenes Beitragsformat “Kultur aus der Voglperspektive”, präsentiert die Highlights des Kulturlebens fürs TV wie Übertragungen aus der Wiener Staatsoper oder von den Salzburger Festspielen und hat den letzten Opernball vor der Pandemie moderiert. 
www.teresavogl.at | @teresa_vogl
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