Aus mit hochnäsig und verstaubt!

Hochkultur und Jung – passt das zusammen? Gerade mit den technischen Möglichkeiten, die uns im 21. Jahrhundert zur Verfügung stehen, könnte Kulturjournalismus im digitalen Raum inklusiv, zugänglich und verständlich gemacht werde. Über die verschiedenen Social Media-Plattformen könnte er außerdem eine höhere Reichweite für kulturjournalistische Inhalte erreichen und seinen Fokus auf eine neue Zielgruppe legen – die Generation Y und Z und damit alle, die zwischen 11 und 39 Jahre alt sind. Statt sich um innovation zu bemühen, hat sich der Kulturjournalismus in den letzten Jahrzehnten wenig verändert – Ausnahmen ausgenommen.

Ich habe mit Dávid Gajdos, Co-Chefredakteur bei “Bohema /// das junge kulturmagazin” über die Probleme im “Kulturjournalismus des 21. Jahrhunderts”, was sich verändern müsste und was Bohema damit zu tun hat geredet.
 

”Bohema /// das junge Kulturmagazin” – was steckt hinter der Idee? 

Der Ursprung von Bohema war die Idee, jungen Leuten eine Kultur-Plattform zu geben, die wirklich auf sie konzentriert ist und nicht sprachlich, visuell und inhaltlich eine ganz andere Altersgruppe ins Visier nimmt. Das Ziel von Bohema ist, “Hochkultur” und Underground bzw. Populärkultur zu mischen und niederschwellig Kultur als Ganzes zu vermitteln. 

Dafür haben wir die vier grundsätzlichen Bereiche Theater, Film, Kunst und Musik auf der Website. In all diesen Bereichen gibt es dann noch Unterkategorien, z.B. Jazz, Pop, Klassik, neue und alte Filme, etc. Momentan können LeserInnen Essays, die etwas länger und oft mit einem Augenzwinkern geschrieben sind, ganz klassische Interviews, und natürlich Kritiken – wobei wir gerade an einem neuen Format arbeiten, das nicht das vorbelastete Bezeichnung “Kritik“ erhalten wird – auf unserer Website lesen. Zum einen wählen unsere AutorInnen die Inhalte nach ihren Interessen aus, zum anderen haben wir RessortleiterInnen die darauf schauen, was in Wien passiert und versuchen, aktuelle Ereignisse abzudecken.  

Was ist euer absolutes Ziel?  

Auf jeden Fall, Horizonte zu öffnen, dass LeserInnen auf unserer Plattform Sachen entdecken, die vielleicht nicht in ihrem gewohnten Bereich liegen. (Junge) Menschen generell dazu zu bringen, nicht mehr an “Hoch”- und “Populärkultur” zu denken, sondern sich unabhängig davon die Themen einfach mal anzuschauen und vielleicht ein paar neue Schätze zu entdecken. 

Unsere Zielgruppe ist auf jeden Fall jung, theoretisch so ab 14, realistisch gesehen ab 18 Jahren aufwärts. Wir sind ja auch selbst in den 20ern und versuchen nicht zu formal und freier zu schreiben, um unsere eigene Altersgruppe direkt anzusprechen – von uns für uns sozusagen. Wobei wir keineswegs etwas gegen ältere LeserInnen haben.

Der Kulturjournalismus hat in den letzten Jahrzehnten teilweise nicht mehr Änderungen vorgenommen, als einfach eine Website zu erstellen, auf der ihre Inhalte verfügbar sind. Müsste sich da mehr tun?  

Mein Thema ist ja vor allem der Musikjournalismus, aber da ist die Situation ja sehr ähnlich – vieles ist snobistisch, veraltet und verstaubt. Das lesen immer weniger Leute, es wird immer weiter in eine Nische gedrängt, weswegen man noch weniger Platz hat, sich immer knapper fassen muss und so noch weniger die Chance hat, neue LeserInnen zu erreichen. Das ist ein Kreislauf der schwer durchbrochen werden kann. Ich merke das auch, wenn ich für die Presse schreibe – was natürlich eine Ehre ist und mir auch Spaß macht, aber ich habe das Gefühl, dass ich damit Gleichaltrige nur schwer ansprechen kann. Ich freue mich natürlich sehr, dass es immer noch andere Zeitungen und Medien gibt, die die Kultur behandeln. Aber dieses “hochnäsige” und verstaubte macht es einfach schwerer, all das Großartige, was Kultur und Musik bieten, zu vermitteln.  

Es muss sich einiges verändern. Das meiste findet ja sowieso schon online statt, aber wenn es schon online ist, sollte man die Möglichkeiten der digitalen Welt auch voll ausnutzen. Videos, anklickbare Elemente integrieren, optisch und sprachlich ansprechend und mit Humor gestaltet – und natürlich auch auf Social Media. Bei all dem wünsche ich mir natürlich, dass trotzdem was dahinter ist, etwas vermittelt wird, egal ob Hoch- oder Populärkultur. Was zählt ist der Enthusiasmus und die Liebe zu dem Feld, verbunden mit Qualität und Inhalt. 

Mein Traum wäre, dass unsere Generation erreicht wird. Wir haben Bohema genau dafür gestartet, vieles funktioniert schon, manches noch nicht. Wir suchen ständig nach den perfekten Rezepten, haben viele neue Ideen, die wir hoffentlich bald verwirklichen werden. Der Traum ist natürlich, dass uns das gelingt, dass unsere Generation da anbeißt, also die Sachen dann auch konsumiert. Ich glaube das ist auch machbar mit den entsprechenden “jungen Ingredients” wie Videos, Visuals und Humor und natürlich mit Qualität dahinter. 

Foto (c) Alexandra TImofeeva

Unterscheidet sich bei euch die Berichterstattung je nachdem, ob es sich um Hoch- oder Populärkultur handelt? Bzw. erkennt ihr einen Unterschied in der Rezeption? 

Uns liegt viel daran, dass die Berichterstattung über Hoch- und Popkultur grundsätzlich gleich frisch und zugänglich ist. Bei der Rezeption sehen wir an sich keinen Unterschied. Wenn die Inhalte gut gemacht sind, kann man auch Hochkultur gut vermarkten.

Wie habt ihr Bohema eigentlich angefangen – und warum habt ihr Instagram als Social Media Plattform gewählt?  

Die Website ist unser Produkt, mit ihr hat es angefangen. Zum einen, weil Print veraltet und schwer zu vermarkten ist, zum anderen auch weil es umständlicher und teurer zu produzieren ist. Heutzutage ist es fast selbstverständlich, dass man Instagram benutzt. Wir haben ja auch einen Facebook-Account. Man muss allerdings schauen, dass das nicht nur selbstverständlich ist, sondern dass da auch Inhalte dafür gestaltet werden. Da sind wir auch laufend dran. Man kann Journalismus heute nicht mehr machen ohne Instagram. Das ist nicht nur eine Notwendigkeit, sondern auch eine Möglichkeit. Es gibt ja auch noch andere Plattformen und Formate, mit denen man arbeiten könnte, zum Beispiel YouTube, Podcasts, TikTok, und Co., da kommt bei uns definitiv noch was. 

Warum bist du eigentlich Kulturjournalist geworden? 

Journalismus ist einer der Berufe, der für manche noch so eine Traumhaftigkeit hat wie z.B. Schauspieler oder Regisseur. Ich hatte als Teenager immer wieder Phasen, in denen ich diesen Traum verwirklichen wollte. Dann habe ich von Wilhelm Sinkovicz die tolle Chance bekommen, bei der Presse zu schreiben. Nach der Anfangseuphorie hatte ich aber das Gefühl, dort zwar sehr viel lernen zu können, mich aber auch verstellen zu müssen, nicht austoben zu dürfen. Dann kam eines Nachts die Idee zu Bohema, übrigens meiner Freundin und Co-Chefredakteurin Alexandra Timofeeva – und seitdem toben wir uns also aus. Die Grundidee ist, dass wir alle (es sind immerhin über 40 Gleichgesinnte dabei) für die Sachen brennen, über die wir schreiben. Ich liebe Musik, OperOper "Das gesungene Drama", kommt von "opus", übersetzt "Werk". Beschreibt ein Gesamtkunstwerk aus Wort, Ton, Geste, Raum und Licht. und Kultur allgemein, studiere, lerne täglich neues, höre nach jedem Konzert etwas besser und möchte dieses Wissen und vor allem diese Liebe und Wertschätzung besonders an meine junge Generation weitergeben. Ich bin ja, zumindest auf dem Papier, auch noch jung (lacht). 


Dávid Gajdos studiert Musikwissenschaft im Master, arbeitet als freier Musikkritiker bei “Die Presse” und ist seit 2020 Co-Chefredakteur bei “Bohema /// das junge kulturmagazin” 
www.bohema-wien.com | @bohema.wien | @david_de_rien  
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